Der Sommer gehört im Saanenland der Klassik und trotz der hohen Temperaturen war auch das letzte Augustwochenende vom Menuhin Festival in Gstaad gut besucht. Dieses Jahr verlieht der Intendant Christoph Müller dem Festival den Untertitel „ironie et musique“. Damit wolle er auf die Hochs und Tiefs in der menschlichen Seele, denen die sensiblen Künstler im besonderen unterworfen sind und der Ironie, die diese der inneren und äusseren Umständen in vielen klassischen Stücken entgegensetzen, Rechnung tragen.
Amadeus Mozart Don Giovanni
Kein Stück als Mozarts „Don Giovanni“ erfüllt diese Kriterien besser.
Die Oper aller Oper von 1787 mit ihren gespenstischen Modulationen, den grossen Arien und tragisch-komischen Momenten hörte Sänger Erwin Schrott mit acht Jahren zum ersten Mal. Nun besuchte er als Star und als Frauenheld und Schwindler in Mozarts Stück das erste Mal das Berner Oberland.
Bei gefühlten 40 Grad war es seine Aufgabe vor einem fast ausverkauften Zelt vor dem Orchester und ohne Kulisse drei Stunden durchzuhalten. Bereits beim ersten Erscheinen beiendruckte der Südamerikaner durch seine körperliche und seelische Präsenz trotz seiner 42 Jahre. Die Damen schmolzen dahin, als er den Mund aufmachte, den was für eine Stimme ohne Mikrofon da erklang, doch sein Italienisch verstand niemand. Also wendeten sich die Blicke wegen der schlechten Aussprache zu den seitlichen Bildschirmen, die den Text übersetzten.
Bei den Frauen tönte es anders.
Die moldawische Sopranistin Tatiana Lisnic war als „Donna Anna“ raumfüllend und so wie man sich Operndiven vorstellt: Gross und angsteinflössend. Das Mitglied der Wiener Staatsoper zeigte durchs Band eine gute Leistung, doch noch präziser im Gesang war
Regula Mühlemann aus dem Kanton Luzern. Mit zierlicher Figur liess sie sich nichts anmerken von der hohen Temperatur und sang sehr genau.
Der zweite Akt war lustiger und Erwin Schrott steigerte sich, stiess seine mittelmässige Leistung des ersten Teils zur Seite und konnte mehr Leidenschaft im Schauspiel zeigen. So überzeugte er das Publikum in Solostücken, während einige zeitweise mit Hitzeschwindel das Zelt verliessen und von denen die geblieben waren, fanden bei einer Umfrage den Abend mittelmässig.
Tschaikoswsky, Strauss und Schönberg
Wieder brannte die Sonne vom Himmel am Sonntag und wieder füllte sich das Zelt an der Saane, die leichte Muse war angesagt und ein Genie stand auf dem Dirigentenpodest.

Der Inder Zubin Mehta hat sonst die Münchner Philharmoniker unter sich, nun musste er ein Heer von Juden des Israel Philharmonic Orchester
durch romantische Stücke wie den Till Eulenspiegel von Richard Strasuss, Verklärte Welt von Artur Schönberg und schliesslich Pathetique von Pitor Tschaikoswsky führen. Die Damen und Herren fecherten mit dem Programmheft nach Luft, die Musiker spürten keinen Schmerz. Voller Leidenschaft, ohne Fehler gaben sie zwei Stunden alles. War der Strauss noch kurz und verspielt, erinnerte Schönbergs Stück an einen Film mit grossem Spannungsbogen, bevor die russische Sinfonie viele Stimmungen in sich vereinte. Neun Tage vor Tschaikoswskys Tod wurde „Pathétique“ uraufgeführt und wer seine Ohren spitzte, wusste, das so ein Stück Klassik nur einer schreiben kann, der der Welt entsagt. Die Aufführung war trotz der Umstände grandios.
Aenderung notwendig
Mag das diesjährige Menuhin Festival wieder viele Perlen der Klassik ins Berner Oberland gebracht haben, geht es einfach nicht, dass Zuschauer sehr teuere Karten kaufen, einen langen Weg auf sich nehmen, oft auch übernachten und dann in einem Glühofen Platz nehmen müssen und zwei, drei Stunden darin gefangen sind. Das die Leitung bereits vor Beginn als der Hochsommer schon im Gang war, nicht reagierte und eine Klimaanlage installierte oder wenigstens einige Türen während des Konzerts öffnete, ist eine Ohrfeige und darf es nicht mehr geben sonst geht es Gstaad bald wie den Thuner Festspielen und das Publikum wendet sich ab.