
Es ist eigentlich egal, dass sich der Sänger und Liedermacher Roberto Brigante an diesem Vormittag eine halbe Stunde verspätet, weil er einem Radio in seiner Heimat Ampulien, Italien noch ein Telefoninterview geben muss, den wer in Thun aus dem Zug steigt, währt sich in den Ferien mit dem See und Alpenpanorama.
Dann ist er der 52-jährige Plattenleger und Musiker da, wirft seinen Mantel ab, schaut kurz zu Eiger, Mönch und Jungfrau, wo der kommende Schnee schon liegt und posiert vor dem „Berner Oberländer Schiff „und ich werfe ihm die erste Frage an den Kopf:
Das erste Lied deiner sechsten CD namens „Roberto Bigante“ heisst „l’estate“ und das hast du sicher hier in dieser Stimmung geschreiben oder?
Die aktuelle Cd entstand über 3,5 Jahre und einzelne Lieder wurden immer wieder hier in der Stadt aufgenommen und bearbeitet unter der Mithilfe von kreativen Köpfen aus Schweden, Schweiz und Italien. Als vorbildlicher Italiener habe ich den Supersommer mit der Familie meiner drei Kinder in Frankreich, Deutschland und nur wenige Tage in meiner alten Heimat verbracht (lacht). Das Lied „l’estate“ mit der fröhlichen Melodie ist eine Ode von Menschen an das Leben.

Das Eis ist gebrochen, wir marschieren lachend an der Post vorbei und bald erscheint das nächste Wahrzeichen von Thun die Holzbrücke. Ein Stück Geschichte und ob es am dunklen Holz liegt oder einfach an der Trauer über die Terroranschläge von Paris, Roberto wird etwas nachdenklich als er auf die Aare schaut und ich frage:
Politik und Macht von ihrer unschönen Seite bewegen die Menschen im Moment, Du besingt immer das Gute. Könntest du Dir auch vorstellen, wie Luca Dalla politische Lieder zu singen?
Nein. Ich habe nachdem ich als Junge Gitarre gespielt habe, sie dann zur Seite legte und mit 37 Jahren anfing professionell aufzutreten, eine Fangemeinde aufgebaut und die liebt mich, weil ich vom Herzen und seinen Freuden und Leiden singe. Ich habe zwar auch Lieder, die Probleme behandeln, aber bin kein Protestsänger. Ich liebe aber die Diskussion und den Dialog. Seit August habe ich den Schweizer Pass, nachdem ich schon 30 Jahre in Thun lebte. Es wäre wünschenswert, dass Ausländer oder Eingebürgerte besser in die politische Diskussion einbezogen würden.

Eigentlich will Roberto einen Capuccino trinken, doch ich schaue zum Himmel, wo das Wetter sich verschlechtert und dränge ihn zum nächsten Foto. Wir können keine hundert Meter gehen, ohne das nicht ein Polizist, eine Frau, ein Hotelangestellter ihn grüsst oder ein Auto hornt. Hier kennen ihn alle.Vor einem italienischen Spezialitätengeschäft lehnt sich Roberto an eines der zwei Fässer, lacht und sagt, dass es wohl besser sei, der Besitzer habe erst am Nachmittag offen, den sonst würden wir bei einem Glas Roten verweilen.
Auf deiner neuen CD „Roberto Bigante“ singst du nur italienisch und es hat 3,5 Jahre gedauert bis sie erschien, warum?
Bisher mischte ich Mundart und Italienisch in den Texten der Liedern, das hat sich nun geändert. Doch auch wenn ich zwei Herzen in meiner Brust trage, ergeben sie ein Leben. Das ist meine Realität und darüber singe ich. Ich muss in der rechten Stimmung sein, um ein Lied aufzunehmen, dann hat es Tiefe, die hört man. So wie ich mich zeige, kennen mich die Leute in der Stadt auch, Nichts ist erfunden. Ich kam als 5-jähriger hierher, lebte dann kurz wieder in Italien und reiste dann 12 Jahre später ohne Eltern aber mit den Brüdern nach Thun und lebe hier seither.

Nur wenige Schritte weiter liegt das Studio H2O von Thies Steiner. Roberto zündet sich eine Zigarette an, wirkt etwas schüchtern als er ans Fenster nicht Türe des Aufnahmestudios klopft und sein Mentor öffnet. Wir müssen leise sein für das Foto, den die Volksmusiker Oesch di 3 nehmen gerade eine Platte auf.
Thies Steiner hat dein Konzert in deiner Heimatstadt Tricase Apulien gefilmt und zusammen mit deinen acht Liedern ist es auf der neuen Cd. Frauen und Mütter sind für Italiener wichtig, hast du sonst noch Inspirationsquellen?
Meine eigene Familie, das tägliche Leben, das sich in den schönen Plätzen dieser Stadt wie dem Schadaupark, der Altstadt oder weiter oben im Oberland der Lenk abspielt. Ich schreibe recht viel über die Momentaufnahmen, die ich sehe und manchmal gibt es ein Lied für mein Programm, das ich an Hochzeiten, Firmenanlässen und Konzerten spiele.

Wir steigen ins Auto und fahren an die Länggasse 13, wo Roberto Bigante sein Bodenlegergeschäft mit zwei Angestellten hat, aber auch den Plattenladen für seine sechs Cds. Er holt mir einen Kaffee vom Kiosk. Ich fotografiere ihn ein letztes Mal, Er erzählt mir, dass er am 27.11. im Gasthof Rössli Ueberstorf auftritt und nächstes Jahr im Februar 19. in Spiez, Solinalokal und am 26. in der Trinkhalle Interlaken auftritt. Doch vorher will er über die kommenden Festtage seine Eltern besuchen und gleich noch bei zwei Radiosendern in Ampulien vorbeischauen, die seine Feel-good Songs rauf und runter spielen.

Auf dem Weg zum Bahnhof schenkt er mir noch zwei Lollipops und seine Vita und singt mir zwei Lieder im Auto vor während der Mittagsverkehr und die Buezer mit ihren leeren Mägen an uns vorbeiziehen.
Ich denke, dass mir Roberto Brigante sagen (singen) will, dass der Mensch nicht vom Geld alleine lebt, sondern auch vom Herzen und dass das in dieser schweren Zeit und kommenden Vorweihnachtszeit verdammt wichtig ist.
roberto brigante