Bald singen wir „Oh Tannenbaum“ oder spazieren an den Festtagen durch den Wald, der einen Drittel des Landes bedeckt und sich aufgrund der Umweltbedingungen verändert hat. Wie? Christian Küchli vom Bundesamt für Umwelt in Ittigen kennt den Zustand des Schweizer Waldes. Ausserdem ein Buchtipp über das verborgene Leben des Waldes.
Christian Küchli, als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Wald im Bundesamt für Umwelt haben Sie sicher auch Freude am Rauhreif, der momentan wie Puderzucker über den Tannzweigen hängt. Doch von blossem Auge ist es dem Laien nicht möglich zu sehen, wie es dem Berner, Freiburger und allgemein Schweizer Wald geht. Und geht es ihm?
Ich bin mehr der Sonnen- als der Rauhreiftyp. Darum liebe ich eher jenen Moment, wenn die Sonne durch den Nebel bricht… Der Wald hat grundsätzlich ein eher ruhiges Jahrzehnt hinter sich, ohne Stürme wie Lothar, der Ende 1999 wütete. Fast unbemerkt geblieben sind jedoch die häufigeren Trockenperioden in den letzten Jahren. Extrem war der Sommer 2015. Aber auch die häufig aktiven Waldbrandwarnungen machen deutlich, dass dem Wald eine neue, grosse Herausforderung bevorsteht: die Anpassung an den Klimawandel. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und die Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) haben dazu vor kurzem über Resultate aus dem 2009 gemeinsam gestarteten Forschungsprogramm berichtet. (Links ganz unten)
Schweizer sind dauernd im Stress. Und dem Wald geht es wohl nicht besser. In den 80er der Borkenkäfer, dann der Lotharsturm und nun der Klimawandel. Auf was muss ich achten, wenn ich durch den Wald spaziere und Veränderungen suchen möchte?
Wir können zum Beispiel mehr dürre Rottannen (Fichten) beobachten, speziell nach Trockenperioden wie im Herbst 2015. Diese sind fast immer von Borkenkäfern befallen, welche durch Trockenheit geschwächte Fichten besiedeln. Das wird mittel- bis langfristig dazu führen, dass in tieferen Lagen weniger Fichten und mehr Laubbäume, zum Beispiel Eichen, wachsen werden.
Der Wald ist der Ort, an dem sich Grundwasser bester Qualität neu bildet, weil er die Schadstoffe zurückhält und das gereinigte Wasser in die Tiefe sinken lässt, das wir dann trinken. Fahre ich aber durch Vorstädte wie Pratteln oder anderen Agglomerationen haben die Industrie und Wohnhäuser eine Dichte erreicht, wo ich denke, der Wald kommt da nicht mehr nach mit reinigen oder doch?
Der Wald ist tatsächlich ein hervorragender Filter, der belastetes Wasser zu reinigen vermag. Deshalb liegen Trinkwasserfassungen oft im Waldgebiet oder besitzen bewaldete Einzugsgebiete. Tatsächlich ist das in Industrie- und Wohngebieten nicht der Fall und ein gesunder Boden und eine funktionierende Siedlungsentwässerung müssen hier verhindern, dass das Grundwasser verschmutzt wird. Im Raum Basel macht man sich die reinigende Eigenschaft des Waldes und des Bodens z. B. in den Langen Erlen zunutze. An bewaldeten Wässerstellen wird dort Rheinwasser auf den Boden geleitet und versickert. Das Wasser erfährt in den Schichten des Waldbodens eine natürliche Reinigung ohne Zufuhr von Energie oder Chemie und kann später in Grundwasserbrunnen als sauberes Trinkwasser entnommen werden.
Die Nutzung von Fichte, Buche, Weisstanne hat zugenommen, lese ich in einer Studie. Doch im Wald wird meiner Beobachtung nach, immer mehr geholzt und liegen gelassen. Ein Widerspruch?
Verkauft wird vor allem die Fichte, bei der Weisstanne nimmt die Nachfrage zu. Buche wird gegenwärtig eher als Energieholz eingesetzt, aber als Nutzholz findet sie kaum Absatz. Buchenholz gilt als wild, d. h., es treten oft Spannungen auf, welche die Bretter verziehen. Das kann durch Verleimen aufgefangen werden. Dank dieser Lösung sollte der Stellenwert der Buche in der Holzwirtschaft mittelfristig wieder zunehmen. In den Schweizer Wäldern ist nämlich viel schlagreifes Buchenholz vorhanden – der Anteil am gesamten Holzvorrat beträgt rund einen Fünftel. Beim liegengelassenen Holz handelt es sich vor allem um Kronenteile. Je feiner die Äste, desto mehr wertvolle Pflanzennährstoffe sind enthalten. Darum tragen die Schlagreste zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit bei. Zudem: vor dem entgültigen Zerfall des Holzes bietet es unzähligen Arten Unterschlupf oder Nahrung.
Meine Wohnquartier liegt nahe am Wald, wurde vergrössert, Ausländer, Städter kamen und der Abfall, das Littering hat im Sommer ein Ausmass erreicht, das erschreckt. Bisher haben alle Kampagnen des Bundes gegen Littering versagt und trotzdem sollte gerade bei diesem Punkt neben dem richtigen Heizen und klimagerechten Verhalten noch mehr getan werden. Planen Sie weitere Aktionen?
Der Bund hat nie eine Kampagne gegen Littering durchgeführt, denn die Bekämpfung des Littering ist Sache der Kantone und Gemeinden. Diese tun viel gegen Littering. Grundsätzlich können und sollten alle Leute etwas tun für die Umwelt, indem sie ihren Abfall richtig entsorgen, indem sie bewusst konsumieren, indem sie den schönen Landschaften in der Schweiz Sorge tragen.
Ein Spaziergang vor dem Fest, eine Waldweihnachten sind was Schönes. Wird der Wald der Schweiz mit seinen Tieren und Bäumen in Zukunft durch den Menschen und seinem Freizeitverhalten zu einer Art Disneyland gemacht?
In der Schweiz ist der Wald ein wichtiger Raum, wo sich die Menschen erholen können. Aber er erfüllt noch viele weitere wichtige Aufgaben: Er liefert Holz, schützt vor Lawinen und Steinschlag, filtert das Wasser, ist ein wichtiger Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Die Waldpolitik der Schweiz hat zum Ziel, diese verschiedenen Aufgaben unter einen Hut zu bringen. Um den vielfältigen Ansprüchen gerecht werden zu können, arbeiten Waldbesitzer, Kantone und der Bund zusammen. Für wichtige Waldleistungen wie der Schutz vor Naturgefahren oder die Förderung der Biodiversität werden die Waldeigentümer durch Bund und Kantone unterstützt.
Links
Resultate vom Bafu Klimawandel und der Wald
Wald der Schweiz – wie funktioniert der Wald und Ausbildung und Weiterbildung
DER BUCHTIPP
Das verborgene Leben des Waldes von David G. Haskell
Über ein Jahr hat der amerikanische Biologe David Haskell einen Quadratmeter altgewachsenen Wald immer wieder besucht und bis ins Detail studiert. Ausgerüstet nur mit Objektiv, Lupe und Notizbuch, Zeit und Geduld, richtet der Biologe seinen Blick auf das Allerkleinste: Flechten und Moose, Tierspuren oder einen vorbeihuschenden Salamander, Eiskristalle oder die ersten Frühlingsblüten. Und entfaltet mit dem Wissen des Naturforschers und der Beschreibungskunst eines Dichters ein umfassendes Panorama des Lebens im Wald, des feingewobenen Zusammenlebens in einem jahrhundertealten Ökosystem. Eine Grand Tour zwischen Wissenschaft und Poesie, die die Natur in ihrer ganzen Komplexität und Schönheit erfahrbar macht.
Eine Liebeserklärung an den Wald und jeder Satz versetzt einem in Staunen.