Am 10./11.März treffen sich in Chur Uebersetzer, Verleger, Autoren aus der Schweiz und dem Ausland, wo sie ihre Arbeiten vorstellen und in Gesprächen, Podien und Lesungen die verschiedenen Facetten der literarischen Uebersetzung erörtern. Einer der Anwesenden wird Andrei Anastasescu sein. Im Interview gibt der Uebersetzer Einblicke in seinen Alltag.
Uebersetzer kennt der Leser meistens nicht beim Namen. Wer sind Sie und wie werden Sie in Chur in Erscheinung treten?
Ich bin freier literarischer Übersetzer und wohne in Bukarest. Ich habe bisher dreizehn Bücher aus dem Deutschen und Niederländischen ins Rumänische übersetzt, u.a. von Niklas Luhmann, Peter Sloterdijk, Jenny Erpenbeck, Walter Benjamin und Christian Kracht. In Chur werde ich im Rahmen der internationalen Literaturveranstaltung 4+1 translatar zusammen mit drei anderen rumänischen ÜbersetzerInnen deutschsprachiger Literatur an einem Rundtischgespräch zum Thema „Deutsch-rumänische Übersetzungsarbeit“ teilnehmen. Die Diskussion wird von der Schweizer Schriftstellerin rumänischer Herkunft Dana Grigorcea moderiert.
Ihr Name tönt aus dem Ostblock. Wurden Sie Uebersetzer, weil Sie da in westliche Phantasiewelten eintauchen konnten oder warum?
Zunächst einmal muss ich hier klarstellen, dass ich den Begriff „Ostblock“ als problematisch, ja als anmaßend empfinde, handelt es sich doch dabei um ein vereinfachendes Etikett, das sowohl politisch als auch kulturell längst überholt ist. Mich befremdet jeder Versuch, die Welt (einschließlich den Phantasiewelten, was immer das heißen mag) derart binär zu teilen.
Der Wunsch, Übersetzer zu werden, rührt bei mir vom Bedürfnis nach einem tieferem Verständnis bestimmter, mir wichtiger Texte her. Nach dem Studium arbeitete ich vier Jahre lang als Verlagslektor, was meine Entscheidung, professioneller Übersetzer zu werden, festigte. Das Übersetzen verbinde ich mit einem umsichtigen Umgang mit literarischen Texten, der darauf zielt, diese Texte gewissermaßen zu retten, sie in meiner Sprache, dem Rumänischen, weiterleben zu lassen. Ich sehe es als eine äußerst verantwortungsvolle Aufgabe an.
Zudem bin ich mir im Laufe der Zeit immer mehr auch der politischen Dimension des Übersetzens bewusst geworden: als Übersetzer wirkt man jeder willkürlichen Grenzziehung sowie jeder identitären (sei es nationalen oder sprachlichen) Reterritorialisierung entgegen.
Genauigkeit ist eine Sache beim Uebersetzen, doch das Gefühl für die Stimmung, den Kontex ist ebensowichtig. Wie weit darf ein Uebersetzer gehen, verändern, um eine Geschichte gut rüberzubringen?
Ich bleibe immer möglichst nahe am Originaltext und versuche, möglichst wenig daran zu verändern. Das Übersetzen geht aber von Natur aus mit Verlusten und Gewinnen einher. Beim Übersetzen tritt man mit dem fremden Text in Unterhandlungen, man verhandelt um jedes einzelne Wort, man erwägt jede erdenkliche Möglichkeit weiterzukommen. Handelt es sich um anspruchsvolle Literatur, muss die Fremdheit des Textes mitübersetzt werden, aber immer so, dass der neuentstehendene Text ganz diskret in die Zielsprache eingebettet wird, als ob er schon immer da gewesen wäre.
Wenn Sie ein Buch mit einen für Sie neuen Thema übersetzen, gehen Sie auch auf Recherche draussen vor Ort oder geschieht alles im stillen Kämmerlein?
Es kommt darauf an, was für ein Buch ich übersetze. Meistens reicht mir das Internet. Manchmal gehe ich in die Bibliothek, vor allem wenn ich an theoretischen Texten arbeite. Bei sprachlichen Schwierigkeiten bitte ich deutschsprachige FreundInnen um Hilfe.
Martin Suter ist der erfolgreichste Schweizer Autor, weil er kein Stilist ist sondern schreibt wie die Leute heute reden. Macht Ihnen der Zerfall der deutschen Sprache Sorgen?
Überhaupt nicht. Ich glaube nicht an den Zerfall der Sprachen, sondern an ihre ständige, natürliche Entwicklung und Bereicherung – auch durch fremde Einflüsse, etwa durch den Einfluss von Einwanderern, die sie gebrochen sprechen. Dass ein tradierter, musealer, akademischer Schreibstil – einer, der nur künstlich am Leben erhalten wird – ausstirbt, sehe ich eher als Fortschritt, als emanzipatorischen Prozess an. Zu schreiben, wie die Leute heute reden, schließt übrigens ein gesteigertes Gefühl für den Stil durchaus mit ein.
Uebersetzen ist eine anstrengende Augenarbeit. Lesen Sie noch nebenbei oder schauen Sie in Ihrer Freizeit mehr Filme?
Ich lese Bücher, surfe im Internet, gehe ins Kino und tue auch andere, ganz alltägliche Dinge nebenbei.
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