39. Solothurner Literaturtage: Julia Weber, Sunil Mann und romantische Plätzli

Bei Hochsommertemperaturen kann der Besucher an den 39. Solothurner Literaturtagen die Phantasiegeschichten Schweizer Autoren und ihre aktuellen Werke anhören statt lesen. Doch die beste Geschichte schreibt die Fantasie des Besuchers in der barocken Stadt mit ihren lauschigen Plätzen.

Einen Besuch an den Literaturtagen an einem so schönen Wochenende wie diesem ist die beste Gelegenheit das Leben zu feiern am Jurasüdfuss und die Altstadt ist ja eine Art offenes Museum, wo  nach dem Gang über die Brücke mit Blick auf die Aare im Palais Besenval sich einen zweiten Kaffee  am Morgen geniessen lässt, während ein Fischer auf einem Holzboot mit einer Stange von einem Ufer ans andere sich stemmt und alles fast wie in „Tod in Venedig“ aussieht.
An ihren schulfreien Tagen vom Unterricht am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel ist die Zürcherin Julia Weber auch hier gesessen, jetzt nimmt sie Platz auf der Bühne im ausverkauften Stadttheater, geht auf das Lesepult nach einer Einführung der Moderatorin zu und begrüsst die Leute mit „Guten Abend“. Die 1983 in Tansania Aufgewachsene bemerkt den Fehler und lacht mit dem Publikum, bevor dieses seine Haltung wechselt.
Stützten die Hände die Köpfe, schnauften einige wegen der Hitze und starrten zu Boden verändern sich die Gesichter und Körper je länger Julia Weber aus ihrem Debut “ Immer ist alles so schön“ liest. Die Sprache voller Poesie, Metapher packt den Leser, der hier Hörer ist, in einen Sog, der alles vergessen lässt. Es sind viele Zürcherfrauen anwesend und die Besucher aus den anderen Kantonen merken mit jedem Satz, da ist ein Talent am Heranwachsen, das bereits beim Erstling Grosses geschaffen hat.
Die Büchertische um den Hauptschauplatz des Geschehens im Landhaus laden zum Störbern ein oder sind ein idealer Ort um den Leser, der sonst im privaten Raum über den Seiten hockt, zu beobachten vom Strandkaffee nebenan, wo Autor Sunil Mann zwei Minuten vor seinem Auftritt einen Schriftstellerkollegen grüsst und dann mit seinem Rucksack auf den offenen Zirkuswagen steigt.
Bisher war der Zürcher, der als Flugbegleiter Teilzeit arbeitet, bekannt für seine Krimis mit einen Touch aus seiner Heimat Indien. Heute hatte der im Berner Oberland Aufgewachsene bei seiner Kurzlesung im Aussenpodium auf der Strasse das Kinderbuch „Immer dieser Gabriel“ dabei.
Gekonnt mit einen steten Blick auf die Zuhörer lass er die humorvolle Geschichte vom frechen Engel Gabriel, der im Engelsinternat zu viele Streiche macht.Die Erwachsenen und viele Paare hörten in der prallen Mittagssonne zu.
Michael Angele wurde nicht weit von seinem heutigen Leseort vor 52 Jahren in Aarberg geboren aber mit dem Mut, den er durch das Fansein von der Punkgruppe The Clash gewann, ging er aus der Enge des Seelandes mit 25 Jahren weg nach Berlin und bliebt dort. Er gründete die erste Onlinezeitung netzzeitung.de und ist heute Chefredaktor bei der Wochenzeitung “ Der Freitag“. Die Säulehalle war wieder ausverkauft, von der Aare tönten Enten als er sein Buch „Der letzte Zeitungsleser“ aufschlug und über das Verschwinden der Tageszeitung und dem Leiden eines Zeitungssüchtigen begann zu lesen und nicht alle Bücherfans überzeugte.
Hören ist anstrengender als Lesen und keine 15 Minuten von den Solothurner Literaturtagen gibt es eine Möglichkeit, um das literarische Schaffen, all die Kopfgeburten schweizerischer und ausländischer Scheiberlinge zu verdauen, in der Verenaschlucht.
Gegenüber dem Bahnhof fährt Bus Nr. 4 zur bis Haltstelle St. Niklaus, kurz die Strasse hoch und schon steht das Waldtor offen für den 20 Minuten Gang an der Kühle bis zur Schlucht mit der Kappele und der Eremitenklause, wo ein ehemaliger deutscher Polizist, der nun das Göttliche sucht, lebt. Hier bekommt der Geist gleich nochmals eine Stärkung nach der Literatur und wer dem Magen knurrt, der kehrt ins Restaurant Keuzen ein.
 Solothurn ist dieses Wochenende trotz der Hitze eine Reise wert.
Weitere Informationen zu den Solothurner Literaturtagen  hier 
Weitere Informationen zur Verenaschlucht hier
Flurin Jecker
Wie sich der Berner Autor auf Solothurn vorbereitet und über seine Debut Lanz lesen Sie hier
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Milan Tinguely – Ein Atelierbesuch beim abstrakten Maler vor der Ausstellung in Murten

Zwanzig Minuten von Freiburg entfernt wohnt das zweite von drei Kindern vom Bildhauer Jean Tinquely im Glanebezirk bei Neyruz. Bei Eistee und Gipfeli öffnete Milan Tinquely sein Atelier und sprichtg über die abstrakten Gemälde für seine kommende Ausstellung in der Art-Galerie in Murten ab dem 30. Juni.

Milan Tinquely, wir sitzen hier im Garten Ihres Hauses bei hohen Temperaturen Ende Mai. Sie wirken sehr entspannt mit ihrer E-Zigarette. Ist schon alles bereit für die kommende Ausstellung in Murten und welche Aspekte Ihres Schaffens zeigen Sie?
 
Nach rund einem halben Jahr Vorbeitung in meinem Atelier unter dem Dachstock sind meine abstrakten Gemälde, die noch überall im Haus verteilt sind, zwar gerahmt, aber ich habe sie noch nicht mit dem Galeristen Niklaus Gilgen ausgesucht. Da es sich um eine Dauerausstellung handelt, wo auch nach dem Ausstellungende ab dem 20. Juli einiges hängen bleibt, wird es eine Mischung aus Alten und Neuem geben.
Mittlerweile sind wir im Atelier Ihres umgebauten Hauses aus dem Jahr 1844 und mir scheint als würden sie heute als 44 Jahre alter Mann weniger kräftig und wild malen als früher?
 
Ich male schnell, gehe einer Idee meist morgens oder nachts, weniger nachmittags nach und es schient als wären die neuen Bilder mehr komponiert und oft lasse ich den Hintergrund nun weiss oder male ihn sehr dezent. Früher waren da kräftige Töne.
Malen, das ist für mich wie ein Energie von oben, die in meine Hände fährt und dann geht es los. Ich habe auch keine Angst Fehler zu machen, ich will einfach sehr spontan und zielgerichtet an die Sache rangehen. Immer tönt im Hintergrund dazu Musik wie jene von Miles Davis oder anderen.Ich male in Acryl mit Pinsel und wenig mit dem Spachtel. Die Malerei kostet schon Kraft, man muss sich anstrengen, den sie kommt direkt aus dem Bauch, aus dem Inneren. Ich gebe den Bildern eigentlich keine Namen, aber Galerien lieben es, also muss ich erst später überlegen, wie ich ein abstraktes Bild nenne.
War das Finden eines eigenen Lebenssinnes schwierig für Sie bei so einem berühmten Vater und der Oeffentlichkeit, die einem dauernd beim Heranwachsen zuschaut?
 
Ich bin nun seit 14 Jahren Maler und habe erst mit Farben zu arbeiten angefangen als meine Vater tot war. Vorher habe mit Film und Foto gearbeitet. Ich habe aber nie Skulpturen gemacht und habe mir die Malerei als Audiodiakt selber beigebracht. Meine Schwester malt auch. Ich liebe es die Tradition des Malens aufrechtzuerhalten.
 
Welche Charaktereigenschaftenm unterscheiden Sie von Ihrem Vater, der mir immer ein wenig machohaft rüberkam, aber bei den Freiburgern sehr beliebt war?
 
Mein Vater war sicher sehr wild und impulsiv, er nahm Raum ein, wie man sagt und hat nach aussen gelebt, die Oeffentlichkeit gesucht. Ich bin zwar als Maler, auch einer der gerne schnell arbeitet, aber sonst doch ein ruhiger, stiller Typ, der sich zurücknehmen kann.
Sie haben einem Facebookaccount, Handy und Internet, aber noch keine eigene Seite. Hat die digitale Revolution, in der wir stecken, Îhre Sichtweise verändert?
Malerei und Internet sind zwei verschiedene Betrachtungsweisen auf das Leben und den Menschen. Ich denke nicht, dass das Internet einen Einfluss auf die Malerei hat und die Leute nachwievor den Geist, den ein Bild ausstrahlt, bei Ausstellung geniessen. Für mich als abstrakter Maler sind ja auch die Begegnungen mit den Besuchern an Vernissagen sehr interessant, da gerade die abstrakte Malerei, die Leute auf das Kind in sich zurückwirft und sie spontan sagen, was sie sehen, was oft sehr von dem abweicht, was ich dachte bei der Entstehung.
Was macht ein Milan Tinquely in seiner Freizeit oder kennen Sie das Wort gar nicht?
 
Ich habe eine Freundin und wenn man ländlich wohnt, geht man da auch in Restaurant einen Kaffee trinken. Ausserdem gibt das Haus mit seinen Bäumen und Rasen zu tun. Die schwarze Katze besucht mich, wenn ich auf dem Sofa lese oder Musik höre. Meine Bücherwand ist neben den Bildbänden auch mit deutschen Autoren wie Goethe, Hesse oder Rilke gefüllt. Ja und dem Nitzsche und seine Philosophie bin ich nicht abgeneigt. Ich besuche aber auch Ausstellung in Zürich und Frankfurt, wo ich schon ausgestellt habe und die kommende Art Basel, die für das Kontakt knüpfen gut ist.

Die Art Galerie Murten befindet sich an der Hauptgasse 21


Vernissage 30. Juni und 1. Juli

 

Stausee Emosson – Von Dinosaurier und atemraubenden Seilfahren am Mont Blanc

 

Schon der Weg zum zweitgrössten Stausee der Schweiz im Oberwallis auf 1965 Meter über Meer bei Le Chatelard ist eine nervenkitzelnde Angelegenheit und einmal oben angekommen, begegnet dem Besucher ein Weg von der Vergangenheit von Jahrmillionen bis in die Zukunft unsere Energieversorgung dem Nein zu mehr AKWs.

Vom Bahnhof Martigny geht es mit dem Mont Blanc Express bis an die französich-italienische Grenze Chatelard-Village für das man Halt auf Verlangen drücken muss. Ein kurzer Gang um ein Gedäude und schon steht die Standseilbahn, die steilste Bergbahn der Welt bereit, die nun ein Gefälle von 87%  hinaufrattert auf 1825 üM nach Les Monituires.
Ein Pfeiffen ertönt und bald schiebt sich der rotweisse Panoramazug mit offenem Verdeck mit Blick auf das Mont Blanc Massiv und die Talschluchten des Bouqui, die keinen Meter neben den Schienen beginnen zehn Minuten durch die Landschaft. Schmelzwasser tropft vom Stein als der Zug durch den Tunnel fährt und bald den Blick frei gibt auf die erste von drei Staumauern.
Doch wir sind noch nicht am Ziel. Schnell eine Treppe hoch zur letzten Etappe einer Ministandseilbahn, die wieder ein Gefälle von 73% überwindet bis auf 1965 Meter über Meer, wo sich Berge mit Schnee, wenig Natur um den Stausee oberhalb der Baumgrenze und ein Bergrestaurant zeigen.
Auf den ersten Blick sieht der Besucher nur zwei Staudämme. Mitte Mai ist der dritte noch im Schnee versunken. Doch einmal durchatmen vor dem zweitgrössten Stausee der Schweiz und Gegenwart und Zukunft unserer Energieversorgung mit einem grandiosen Weitblick auf die Alpen, die alle über 2600 m hoch sind, in reiner Luft tut gut.
Der geteerte Weg über die Staumauer zu der Berghütte des Vieux-Emosson ist der einfachste. Rund um den Stausee gehts wohl erst ab Juni, noch begegnen uns Skitourenfahrer.
Doch nach 2,5 Stunden Marsch im Sommer in die Vergangenheit von 250 Millionen Jahren zeigt der Stein, die Spuren von neuen verschiedenen Arten von Dinosauriern. Die Tritte sind 10-20 cm gross und stammen von Pflanzenfressern, die 3-4 m gross und 300-400 kg schwer waren.
Als wäre das Spüren seiner Endlichkeit bei so alten Spuren nicht genug, geht es mit den drei Transportmitteln bergab, wo jedem mal der Atmen stockt bei fast hundert Prozent Gefälle. An diese Action kommt kein James Bond Film ran.

Weitere Informtionen zu Vertic Alp Emosson hier 

The Dance – Urban Dance Wettbewerb im Hallenstation

Die englische Urban Dance Crew Prototype gewann den zweiten internationalen Tanzwettbewerb „The Dance“ im Hallenstaion Zürich. Die Jury bestand aus Akon, den Geissens und anderen und konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der dreieinhalbstündige Anlass zu stark auf Werbung ausgerichtet war und in der ersten Hälfte seinem Motto nicht gerecht wurde.

 

In den neuziger Jahren gab es die letzten zwei Jugendbewegungen, ohne die es „The Dance“ nicht geben würde. Da war auf der einen Seite der harte Beat aus dem Computer des Techno und House zu denen an Raves getanzt wurde in Europa.Geblieben ist davon die Streetparade und kein Star, nachdem der Italo-Schweizer Robert Miles (Children) aus Neuenburg vor zehn Tagen auf Ibiza an Krebs starb.
Auf der anderen Seite war in der Bronx Hip-Hop entstanden mit Rapgesang und dem Breakdance. Mit einer politischen Botschaft und viel Kraft fasste diese Bewegung auch in Europa Fuss und ist bis heute populär.
Urban Dance vereint alle genannten Musik- und Tanzstile und hat auch dank den vielen Ausländerkinder in der Schweiz eine grosse Anhängerschaft, die allerdings das Hallenstation nicht ganz füllen konnte.

Serap Yavuz und John Agesilas moderierten zweisprachig die Show, die nach einer langen Einführung mit dem aus “ Britan’got Talent“ bekannten Poprapduo Bars and Meldoy begann. Die mageren Jungs füllten die aus einem 105 qm grossem Handy bestehende Bühne, der Sponsor hatte ganze Arbeit geleistet, nicht und wirkten blass, Die Jury bestand fast wie das Publikum aus Erwachsenen mittleren Alters wie dem Zürcher Clubbesitzer Momo Mobetie, Lifestyleexperten Carmen Geiss und Sänger Akon oder Tanztechnikexperte Roxrite Red Bull aus San Diego.
Ab Februar wurden in Vorausscheidungen in verschiedenen Schweizer Städten 20 Tänzer ausgesucht, die nun in zwei Teams mit den Namen der Sponsoren gegeneinanderantanzten. Die Zappelphillips brachten Stimmung und jeder dachte, endlich geht es nach über einer lahmen Stunde los, doch  nachdem der Sieger, das Team Weiss, feststand, sagte Serap Yavuz, dass nun einen  halbe Stunde Pause sei.
Seinen Auftritt nach der Pause hatte Akon im ersten Anlauf verpasst. Dabei wäre nach einem Wettbewerb mit einem weiteren Sponsor es an der Zeit gewesen für Action.
 Der US-Musiker mit senegalesischen Wurzeln hatte Anfang des Jahrhunderts Hits und verschwand dann 2009 von der Bildfläche nachdem ihn sein weisser Tiger angefallen und schwer verletzt hatte.
Er erschien dann verspätet auf der Bühne, sang zwei Hits, die Jugendlichen rannten an den Bühnenrand und nach fünf Minuten wieder brav auf ihre Stühle zurück.
Gegen 22 Uhr begann dann endlich der Battle, wo zehn Urban Dance Combos gegeneinander antanzten. Die Schweizer mit nackten Oberkörper wählten afrikanische Rhythmen für ihre Show.

Die Japaner waren ihnen aber um Längen in Sachen Gruppendynamik voraus.

Doch schliesslich überzeugte die Jury gleich der erste Auftritt der Engländer, die als in  weissgekleidete Aerzte mit Mundschutz durch die Luft wirbelten. Sie gewannen ein Preisgeld von 15000 Franken und verwiesen das Team Russland und USA auf den zweiten und dritten Platz.
Gegen 23.30 Uhr war die Show, die Längen hatte, viel Werbung und nur manchmal etwas von der Haltung der Strasse, von wo Urban Dance kommt, zu Ende.

The Dance

 

Schloss Wildegg – Geschichte im Original erleben

Ob bei Regen oder Hitze, die drei Meter dicken Mauern des Schloss Wildegg als eines von vier Aargauer Schlösser schützen und laden ein, sich für einen Tag wie ein Prinz zu fühlen. Doch bereits auf dem Weg ins Mittelalterschloss gibt es Interessantes zu entdecken.

Jeder von uns ist mit der Geschichte seiner Ahnen mehr oder weniger verbunden. So ist der steile Weg zum Schloss Wildegg von der Bushaltestelle her zuerst ein Vorbeigehen an einem Hof mit glücklichen Hühnern, Pferden und einem Bernersennenhund, quasi die Welt unserer Grosseltern, bevor eine Dienerin vor der Treppe den Weg zu den 37 Wohn- und Arbeitsräumen der Familie Effinger, die das Schloss vom späten 15. bis ins frühe 20. Jahrhundert bewohnte, weist.
Mit viel Liebe zum Detail wurde das von den Habsburger im 13. Jahrhundert gegründete Schloss eingerichtet in ein Wohnmuseum, das seine Wirkung nicht verfehlt.
Die zahlreichen Räume mit ihren Holz- und Steinböden, dem muffigen Geruch und dem erlesenen Geschmack an Möbeln, Tapeten, Uhren, Lampen sind nur Requisiten für den Film, der bald einmal im Kopf des Besuchers abläuft, wenn er die edlen Herren auf den Gemälden an den Wänden sieht.
Hat der Schlossherr hier verhandelt und seine Macht bekundet? Tratschten die Frauen an den Fenstern oder lasen sie Unterhaltungsromane am Kamin? Tafelte die Gesellschaft an diesem Tisch mit Porzellan und hört man nicht das Klappern der Kochtöpfe in der Küche noch?
Die vielen Gegenstände aus vergangener Zeit machen es einem leicht neben den Informationsäulen sich einzufühlen in diese geschlossene Gesellschaft, die jede Ecke bis unters Dach nutzte, um sich gegen das gemeine Volk abzugrenzen und für sich zu sein.
Wer nach einer Stunde von der baroken Zeit genug hat, geht in den Nutz- und Lustgarten.
Auf dem Weg dorthin, zeigt ein Falkner einer Schulklasse seine Vögel und wir ruhen auf einer Bank die Füsse aus und geniessen den Weitblick über die Landschaft von Möriken, bevor der Garten zum Flanieren, Riechen und Staunen auf 3300 qm einlädt. Die Organisation ProSpeciaRara hat sich dem Erhalt alter Nutz- und Zierpflanzen verschrieben und hat hier eine ideale Fläche zum pflanzen und wir einen Grund mehr, das Schloss Wildegg zu besuchen als Rundgang durch die Zeiten.

 

Das Schloss Wildegg macht auch immer wieder interessante Veranstaltungen wie diesen: 
 
Vom 17. bis 22. Oktober werden beim Festival der Düfte ein Dutzend internationale Parfümeure den dritten Sinn mit Workshops und Referaten rund um die Duft- und Parfümgeschichte vermittlen.

Weitere Informationen zum Schloss Wildegg hier

Silvan Loher – Von Muri bis Oslo stets Musik und Noten im Kopf

Am 21. Mai 17 Uhr erklingt in der Klosterkirche Muri des Komponisten Silvan Lohers „Messe für Muri“. Fast vierzig Musiker und Sänger wirken bei dieser neunzigminütigen Auftragskomposition mit und garantieren Gänsehaut-Sourround-Sound. Drei Wochen später erscheint die CD „Night, Sleep, Death and the Stars“. 2017 ist das Jahr des Schaffhauser Komponisten Silvan Loher.

Silvan Loher, Sie weilen gerade in Oslo, doch am 21. Mai sind Sie wieder für das “Murikonzert” zu hause und wollen die Aargauer mit einer neuen Komposition und Surround-Sound überraschen. Was beinhaltet diese Auftragsarbeit?

Ich wurde für diese Komposition bereits vor drei Jahren von Johannes Strobl angefragt. Die Idee war, ein Abendfüllendes Werk zu schreiben, das speziell für die Klosterkirche in Muri konzipiert ist, also den speziellen Raum mit seinen Emporen nützt, mehrchörig ist. Die einzigen weiteren Vorgaben waren, dass das Werk einen religiösen Bezug haben sollte und ich historische Instrumente verwenden sollte. Letzteres ist nicht ungewohnt für mich, da ich schon einige Auftragsarbeiten für Ensembles auf historischen Instrumenten geschrieben habe, und dies somit eine meiner Spezialitäten geworden ist. Der religiöse Bezug war für mich als Atheisten etwas schwieriger. Was ich mir zuerst als „Notlösung“ ausgedacht habe, hat sich dann als äusserst fruchtbare kreative Idee gezeigt: Ich wollte, meiner Neigung für Poesie und für Sprachen folgend, nicht nur ein mehrchöriges, sondern auch ein mehrsprachiges Werk schreiben. Ich nahm also den lateinischen Messetext und interpolierte Gedichte in vier verschiedenen Sprachen von Dichtern, die sich auf sehr individuelle und unorthodoxe Art und Weise mit der christlichen Religion auseinandergesetzt haben. Die gewählten Gedichte sind nicht zufällig eingestreut, sie kommentieren, spiegeln und kontrapunktieren, in gewissen Fällen könnte man auch sagen karikieren, was im lateinischen Text gesagt wird. Jede/r der Solisten/innen verkörpert dabei einen Dichter oder eine Dichterin und eine Sprache: Die Sopranistin singt auf Schwedisch, Gedichte von Edith Södergran, die Mezzosopranistin auf Deutsch, Gedichte von Georg Trakl, der Tenor Französisch, Charles Baudelaire und der Bass Englisch, Walt Whitman. Dazu kommt noch ein zehnstimmiges Madrigal für Frauenstimmen a capella auf ein Gedicht von William Blake. Was man erlebt ist ein 90-minütiges Werk mit einer starken und klaren Dramaturgie, das die gesamte Klosterkirche in Muri zum Klingen bringt. Die SängerInnen, Oboen, Fagott, Zinken und Posaunen wechseln dabei ständig die genau vorgeschriebene Position, von der aus sie spielen, und nur die Streicher bleiben als „Fixpunkt“ immer in der gleichen Position. Das Werk beginnt geheimnisvoll, mit den Posaunen und dem Chor in der fernen Krypta versteckt, danach bewegt sich die Musik immer näher aufs Publikum zu, um dieses herum, auch einmal mitten im Publikum drin, und steigt dann langsam in die Höhe, auf die Emporen. Das ist das im Prinzip ganz einfache und klare dramaturgische Konzept, aber natürlich war es ungemein schwierig, sich so ein polychorales Werk auszudenken, mit allen praktischen Überlegungen und Gegebenheiten, die es zu beachten gab. Dass alles bestens funktioniert hat bei der Uraufführung im September 2016, und wie aus dem Feedback des Publikums zu schliessen war ich und die Interpreten den Zuhörenden ein einzigartiges Erlebnis bieten konnte, darüber bin ich sehr glücklich.
Als 1986 in Schaffhausen Geborener leben Sie nach dem Kompositionstudium in Basel, bald gehts ganz nach Oslo, doch vorher kommt noch die CD “Night, Sleep, Death and the Stars” im Juni mit vertonten Gedichten von Mascha Kaleko und anderen Dichtern. Wer waren diese Schreiber und warum schreiben Sie nicht selber Texte?
Nur noch ein weiterer Dichter ist auf der CD vertreten, Walt Whitman. Und Er und Mascha Kaléko sind zwei meiner absoluten Lieblingsdichter. Was mich an der Kombination auf der CD vor allem überzeugt, ist dass die Gegenüberstellung dieser beiden sehr gegensätzlichen Dichtern auch in meinen Vertonungen zwei unterschiedliche Seiten meiner Künstlerpersönlichkeit zeigen, wobei beide Zyklen „typisch Loher“ sind. Kaléko hat ja bei aller Tragik und Bitterkeit immer auch etwas Leichtfüssiges, Humorvolles und Sarkastisches, was sich auch in meinen Vertonungen spiegelt, während Whitmans sehr breiter, prophetischer und allumfassender Stil auch in der Vertonung eine gewisse Weite und Gewichtigkeit fordert. Selber Texte zu schreiben, ist ja bei „klassischen“ Komponisten eher selten üblich, besonders in der Lied-Tradition – ich weiss eigentlich nur von Charles Ives und Debussy, die gelegentlich ihre Texte selber verfasst haben. Bei Richard Wagners Opernlibretti wünschte ich mir manchmal, er hätte sie nicht selber verfasst, wobei ich die auch wieder sehr amüsant finde (lacht). Das selber Texten ist wohl eher in der Pop- und Singer/Songwriter-Tradition üblich. Was mir daran gefällt, Texte meiner liebsten Dichter zu vertonen, ist dass ich damit meine zwei grössten Leidenschaften, die für Musik und die für Poesie, verbinden kann. Ausserdem fühle ich, dass ich so in einen geistigen Dialog mit diesen mir so lieben Künstlerpersönlichkeit treten kann. Und man steht auch nicht so nackt da, man drückt zwar Dinge aus, die sehr persönlich sind, aber eben doch durch das Sprachrohr eines anderen. Allerdings habe ich letzten Sommer plötzlich angefangen selber zu dichten, und habe explosionsartig viele Gedichte verfasst. Das kam auf eine Art sehr überraschend für mich, auf eine Andere auch wieder nicht, da mir ja die Posie wirklich genauso nah und wichtig ist wie die Musik. Wer weiss, vielleicht werde ich eines Tages den Mut zu einem Seelenstriptease fassen und meine eigenen Gedichte vertonen…
Die Entdeckung mit Grieg als 14jähriger war das Schlüsselerlebnis für Sie Komponist zu werden. Was haben Sie über sich kennengelernt beim Studium und kreativen Umgang mit den Dichtern der neuen CD?
Das war sogar noch früher, mit 11 oder 12. Ich kann sagen, dass ich sowohl im Studium wie auch im Umgang mit jedem Dichter und jedem Komponisten, dessen Kunst mir besonders nahe ist, mich selber ein Stück weit besser kennengelernt. Und ich denke das ist das wichtigste, wenn man kreativ tätig ist, sich selber gut zu kennen und treu zu sein. Was meiner Kunst sicher eigen ist, ist eine gewisse grundlegende Melancholie, Schwermut, Nachdenklichkeit oder wie man es nennen will, wo ich ja meiner „Jugendliebe“ Grieg, dem ich bis heute treu geblieben bin, wiederum sehr nahe bin. Was ich ausserdem in den letzten Jahren bemerkt habe ist, dass meine Musik eigentlich besser wird, je mehr ich mich auf meine Instinkte und natürliche Musikalität verlasse, anstatt willentlich zu versuchen, etwas zu konstruieren. Innerer Zusammenhang und Grosser Bogen ergeben sich zu meinem grossen Glück von selbst in meiner Musik. Ich halte es da mit der Tochter von Sylvia Plath, selber Dichterin, die gesagt hat „do what comes naturally and not what must be forced and manipulated“ (tu das, was natürlich kommt, und nicht was erzwungen und manipuliert werden muss).

Sie waren ein eigen Kind, hörten Klassik statt Pop und hatten die Kraft sich als Komponisten durchzuboxen, auch wenn Sie heute nur dank Nebenjobs überleben können. War das Schwulsein in der Klassikwelt ein Hindernis oder welch andere gab es noch zu überwinden, damit Sie ihren Platz fanden?

Überhaupt nicht. Ich habe noch von keinem Fall von Homophobie in der Musik- oder Kunstwelt gehört. Wir sind da privilegiert; im Spitzensport oder wohl auch in der Geschäftswelt sieht es da wohl anders aus, was man da so hört. Was bei mir über viele Jahre, besonders im Studium, schwierig war, war die Tatsache, dass ich einfach nicht in die sogenannte „Neue Musik“-Szene passe. Mir ist diese Art von Ästhetik, diese über-intellektualisierte Auffassung von Kunst und die Versteifung auf Konzepte sehr fremd, und ausserdem ist ein grosser Teil neuer Musik sehr weit jenseits von dem, was ich als schön empfinde, als natürlich musikalisch empfunden. Ich sehnte mich nach Natürlichkeit, Schönheit und einer Musik, die sowohl den Intellekt wie auch den „Bauch“, die Gefühle anspricht. Auch störte mich, wie enorm ideologisch solche ästhetischen Diskussionen geführt wurden. Ich wurde während meiens Studiums heftig kritisiert, was mich zunächst sehr verunsichert hat. Die Situation schien mir so ausweglos, dass ich sehr deprimiert wurde und mit einer mehrere Jahre andauernden Schreibblockade zu kämpfen hatte. Schlussendlich hat mir das alles aber geholfen, meinen ganz eigenen Weg einzuschlagen und meinen eigenen Stil ganz elbst zu entwickeln. Mein „Comeback“ nach langer Schaffenskrise kam übrigens mit den allerersten Kaléko- und Whitman-Vertonungen.
Vor zwei Jahren musste ich dann an eigenem Leib erfahren, was es heisst, ein gebrochenes Herz zu haben. Auch diese Zeit war zunächst sehr schwierig, was mein Schaffen betrifft und stellt sicher einen Bruch dar, aber auch hier gilt wiederum das „per aspera ad astra“-Prinzip, rückblickend kann ich sagen dass meine Musik seither an tiefe gewonnen hat und dass ich nun mit einer zuvor nicht gekannten Leichtigkeit schreiben kann.
In einer so lauten Welt eigene Musiktöne zu hören ist ja schon eine Meisterleistung, aber den Balanceakt zwischen kreativem Sonderling und Ottonormalverbrauch, der ins Migros einkaufen geht, ist sicher nicht immer einfach. Verkriechten Sie sich tagelang ab, als Sie das Murikonzert komponierten oder leben Sie nach dem Tagesplan morgens komponieren, nachmittags den Haushalt machen?

Das ist tatsächlich ein schwieriger Balanceakt, der mir nicht immer gleich gut gelingt. Ein kreativer Prozess ist nie linear. Und meistens kommt man Gegen Ende in Zeitnot, und dann muss alles andere hinten anstehen, zu meinem eigenen grossen Leidwesen auch Haushalt und Schlaf. Ich sage immer, der kreative Prozess hat etwas manisches an sich. Bei der „Messe für Muri“ hatte ich das grosse Glück, dass meine liebe und grosszügige Schwester Katja, Künstlerin und in New York City wohnhaft, mich eingeladen hat, drei Monate bei ihr in ihrer schönen Loft in Brooklyn zu wohnen und mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Das war eine tolle und wichtige Zeit. Dort habe ich übrigens entschieden, nach Norwegen auszuwandern.

Sie lieben es italienisch zu kochen. Was macht der Silvan Loher sonst noch in der Freizeit ausser mit seiner Katze im Garten spielen?

Ich bin ein Naturmensch und liebe es zum Beispiel, zu wandern, velofahren oder in natürlichen Gewässern zu schwimmen. In der Natur kann ich meine Energien aufladen und sie ist auch eine meiner wichtigsten Inspirationsquellen. Ich war ausserdem als ich jünger war eine Zeit lang sehr versessen am Ballett trainieren, und das mache ich zeitweise sehr intensiv als Hobby. Ausserdem bin ich ein sehr sozialer Mensch und habe einen grossen und schönen Freundeskreis, der sich gerne von mir bekochen lässt. Ich lese sehr gerne und gehe gerne ins Theater, in die Oper und ins Ballett. Und ja, ich liebe Tiere, hatte bis vor kurzem zwei Katzen, deren ältere, Shintaro, leider vor kurzem nach längerer Krankheit gestorben ist. Der jüngere, Truls, kommt mit mir nach Norwegen – er ist eine norwegische Waldkatze und kehrt sozusagen in seine Heimat zurück!

Konzertkarten für Messe für Muri hier

Peter Beck über den Thriller Korrosion und wie er in Bern lebt

IMG_0005 (2)In Bern-Bethelm wird eine alte Frau an Weihnachten erschlagen. Sie hinterlässt ein Millionerbe und die Anklage, dass eines ihrer Kinder für den Tod ihres Mannes verantwortlich sei. Ist der untergetauchte Verdächtigte auch für den karamallisierten Bäcker verantwortlich? Schriftsteller Peter Beck über seinen zweiten Thriller „Korrision“ und sein Leben an der Aare.

 

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Peter Beck, KORROSION ist ihr zweiter Thriller und er überrascht mit einer anderen Seite von Ermittler Tom Winter, der nicht wie im Erstling 007 Eigenschaften hat, sondern von Bern-Bethlehem aus einen Mord an einer einsamen Alten an Weihnachten aufklärt. War das weniger Wechseln zwischen internationalen Schauplätzen zugunsten der Psychologie, deren Kenntnisse Sie im Studium erworben haben, beabsichtigt oder ergab es sich während des Schreibens um die Weiterentwicklung Winter aufzuzeigen?

Das war beabsichtigt. Tom Winter, der im Zentrum der Reihe steht, ist Sicherheitschef einer Privatbank, eine in der Krimilandschaft einmalige Rolle. So kann ich ihn in der ganzen Welt herumschicken und mit unterschiedlichsten Problemen konfrontieren.

In KORROSION wollte ich die Charaktere, die Psyche der Protagonisten mehr in den Vordergrund rücken. Winter muss deshalb eine tragische Familiengeschichte aufarbeiten, die ihm einiges an psychologischem Gespür abverlangt. Als Leser sitzt man dabei quasi in seinem Kopf und versucht mit ihm die Motive Schicht für Schicht zu ergründen.

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Der Titel des Buches umschreibt das Rosten, was auch für eine Metapher gehalten werden kann, nehme ich an. Vielleicht sogar für die momentane Weltordnung, die durch die Flüchtlingswelle bröckelt und mit dem Sudanesen haben Sie ja auch die aktuelle Flüchtlingswelle miteinbezogen? 

KORROSION soll das Bild von Rost heraufbeschwören, von Säure, die eine glatte Oberfläche zerfrisst. Das steht tatsächliche sinnbildlich für einige meiner Protagonisten, die im Thriller von ihrer Vergangenheit innerlich zerfressen werden.

Korrosion ist ja ein eher langsamer Prozess, physikalisch, wie auch gesellschaftlich. Werte wie ’Freiheit’, ’Respekt’ oder ’Hilfsbereitschaft’ müssen – wie ein Schiff – gepflegt werden. Das gilt für Partnerschaften, bei der Arbeit oder die Gesellschaft. Vernachlässigt man das, kommt es garantiert zu Problemen – und das Schiff sinkt. Da drückt auch mein Brotberuf durch. Ich unterstütze u.a. Organisationen bei Wertediskussionen. Aber eigentlich ist es ganz einfach: Wenn das Arbeitsklima stimmt, dann arbeiten wir gerne und gut.

Als Autor darf ich übrigens beim Titel nur Vorschläge machen. Das letzte Wort hat der Verlag. Zum Glück waren wir uns bis jetzt noch immer einig.

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Als Schreiber sind Sie nie so mutig wie ihr Romanheld. Begannen Sie Thriller zu schreiben aus Zweifel am Mensch über seine dunkle Seite und haben über das Schreiben den Umgang damit gelernt und die Ohnmacht abgebaut?

Ich bin ein grosser Optimist! Ohnmächtig fühle ich mich nur selten, denn ich glaube an das Gute im Menschen. Die allermeisten Menschen sind anständig und wollen sich um ihre Lieben kümmern. Aber selbstverständlich darf man nicht naiv sein, sondern muss mit einer gesunden Portion Skepsis durch die Welt gehen.

Warum ich mit dem Schreiben von Thriller angefangen habe, weiss ich nicht. Seit meiner Kindheit verschlinge ich Krimis. Wahrscheinlich wollte ich es einfach einmal selber versuchen. Und als sich die Gelegenheit bot, habe ich mich hingesetzt und versucht, spannende Unterhaltung zu schreiben.

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Neben der Spannung macht ja auch Korrosion nicht Halt vor brutalen Verbrechen wie dem gebackenen Bäcker. Ist der Blick in die Boulvardpresse am Morgen für Sie Pflicht als Inspirationsquelle oder eher deprimierend, wenn Verbrecher schon wieder eine noch verrücktere Tat als Sie sich für Ihr Buch ausdachten, verbrochen haben?

Viele Leser lieben es, wenn es sie ab und zu ein bisschen schaudert. Eingekuschelt auf dem Sofa lässt man (und frau) sich ja gerne in andere Welten entführen.

Und ja, die Wirklichkeit überholt die Fiktion tatsächlich immer wieder, im Positiven wie leider auch im Negativen. Persönlich lese ich – da ich nicht von einer Ideologie geblendet werden will – querbeet und eher emotionslos durch möglichst verschiedene Medien.

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Sie sind John le Carré Fan und lesen auch Nordländer wie Adler Olsen, die von sich sagen, dass ihre Bücher auch als Literatur gelesen werden kann. Nun Korrosion ist geschrieben wie ein Film, spannend aber nicht literarisch, was wohl auch der Grund dafür ist, dass Sie nicht an den kommenden Solothurner Literaturtagen lesen. Wurmt Sie die mangelnde Akzeptanz der Schweizer Schreibszene, obwohl Sie erfolgreich sind?

Ich bin tatsächlich ein Fan von John Le Carré und der Skandinavischen und Schottischen Thriller und ich versuche von jedem gelesenen Buch etwas zu lernen. Das ist sozusagen vergnügliche Weiterbildung.

Schreiben tue ich primär für Leser, die zur Unterhaltung am Feierabend oder in den Ferien spannende Thriller lesen wollen. Mein literarischer Anspruch besteht deshalb darin, Bücher zu schreiben, die unterhaltend, flüssig und spannend sind.

Austauschen tue ich mich vor allem mit Krimiautoren aus der ganze Welt. Gerade war ich ein paar Tage an der Criminale in Graz, wo sich etwa 250 Krimiautoren getroffen haben. Da habe ich gelesen und Fortbildungen wie „Schlösser knacken“ oder „Verhörtechniken“ besucht.
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Sie haben den schwarzen Gürtel im Judo und eine eigene Beratungsfirma für Unternehmerkultur in Bern. Wie muss ich mir die letzten drei Jahre seit dem Debut bis zu Korrosion vorstellen: Morgens Termine, nachmittags Haushalt und abends bis Mitternacht schreiben? Kann Peter Beck auch an der Aare entlanggehen und abschalten?

Glücklicherweise kann ich gut abschalten. Ich spaziere und jogge oft durch den Wald und der schönen Aare entlang. Für mich ist es ein Luxus, dass ich mein eigener Chef bin und meine Tage oft selber einteilen kann.

Da ich vor allem Projekte mache, würde ich eher von längeren Phasen sprechen. Manchmal arbeite ich wochenlang fast nur an einem Kundenprojekt und komme nicht zum Schreiben. Dann gibt es wieder Zeitfenster in denen ich mich einige Wochen vor allem dem Schreiben widme.

Am Abend spät oder in einem zerhackten Tag schnell, schnell noch eine Stunde schreiben, liegt mir nicht. Da leidet die Qualität, denn zum Schreiben brauche ich einen freien Kopf. Deshalb versuche ich oft Sport zu machen und draussen zu sein.

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Solothurner Literaturtage vom 26.- 28.Mai – Flurin Jecker über sein Debut „Lanz“

Auch an der 39. Ausgabe der Solothurner Literaturtage lesen wieder Neulinge wie Flurin Jecker aus ihren Debuts zum ersten Mal vor grossem Publikum. Am Freitag 26. Mai 19 Uhr im Landhaus liest der ehemalige Velokurier und Bundjournalist aus „Lanz“- ein vierzehnjähriger Junge und wie ein Blog sein Leben veränderte.

 
Flurin Jecker, Sie werden zum ersten Mal mit “Lanz” an den Soloturner Literaturtagen am Freitag lesen. Es gibt ja den Spruch, Autoren können schreiben, aber nicht lesen. Macht Ihnen das Auftreten vor Publikum Freude und haben Sie ein besonderes Ritual vor dem Auftritt?
Wenn das Publikum neugierig ist, freue ich mich auf jeden Fall. Ein Ritual habe ich nicht.
 
Das Leben von  “Lanz” dem vierzehnjährige Jüngling bringt das Schreiben eines Blogs durcheinander, weil Schreiben einem auf sich selber zurückwirft. Hatten Sie einen kleinen Bruder oder Nachbarsjungen als Inspiration oder war  es das Rückbesinnen an Ihre Jugend, die ja noch nicht so digital war vor 27 Jahren ?
Weder noch. Es war und ist die Vorstellung eines Jugendlichen heute, eine Fiktion.
Zwar kommen auch die modernen Kommunikationsmittel in “Lanz” vor, aber trotzdem scheint mir sein Leben in der Pubertät ziemlich ähnlich wie früher ohne Internet. Ging es Ihnen gar nicht so sehr um ein Porträt eines Jungen im Digitalzeitalter sondern um ein Schicksal eines Jugendlichen?
Ich denke nicht, dass die Digitalisierung sehr viel im Innern eines Menschen bewirkt, das sind äussere Phänomene, die sich ändern. Es ging mir um das Porträt eines Vierzehnjährigen im Allgemeinen.
 
Höre ich heutige Junge im Zug an, nehmen sie viel für selbstverständlich und sind egoistisch. “Lanz” ist aber ein verunsicherter Junge, Wählten Sie bewusst einen untypischen Jungen aus?
Da bin ich ganz anderer Meinung. Heutige Jugendliche sind wie gestrige und morgige auf jeden Fall verunsichert, daher wirken sie vielleicht wie Sie sagen. Im Innern sieht das ganz anders aus, „Lanz“ soll dies zeigen.
Die Wortwahl von “Lanz” ist sehr auf den inneren Monolog angelegt, was auch etwas ermüdend wirkt. Würden Sie dieses Debut, das mal die Abschlussarbeit am Bieler Literaturinstitut war, heute wieder gleich schreiben?
Natürlich – und natürlich nicht.
Sie sind nun als Berner in Berlin und schreiben am Zweitling. Ist literarisches Schreiben nun der Lebenssinn in der zweiten Lebenshäfte oder juckt es Sie noch weiterhin für den Bund als Journalist zu arbeiten?
Literarisches Schreiben ist seit rund sieben Jahren zentral in meinem Leben. Ob ich als Journalist arbeiten muss, hängt ganz von meinen Einkünften als Autor ab. Die journalistische Arbeit kann durchaus Spass machen, sie ist aber durch und durch Brotjob.

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Swiss Popart im Kunsthaus Aargau

 

Ob Sprayer oder Kunstkenner bei Popart denkt jeder an die bunten Dosensuppen im Siebdruckverfahren von Andy Warhol. Das die Bewegung auch Schweizer Künstler von Rang und Namen hervorbrachte, belegt die aktuelle grosse Ausstellung bis zum 1. Oktober im Aargauer Kunsthaus.

Nachdem Wirtschaftswunder der 50ier Jahre wurde das Haben unserer Eltern oder Grosseltern bunt. In der Garage leuchtete der KäferVW rot, in der Küche die Tuperware grün, in der Stube das Fernsehtischli violet und die Bravos und Poster im Kinderzimmer hatten von allen Farben etwas. Werber ,Designer, Modeschöpfer machten sich die Popbewegung in der Musik zu nutze und färbten Alltagsgegenstände farbig. Der soziale und private Raum wurde durchgestylt auf amerikanisch. Das blieb auch Schweizer Künstler nicht verborgen. Doch anders als Andy Warhol oder Roy Lichtenstein in New York griffen sie nicht nur zur Spraydose oder Siebdruck sondern malten wie Markus Müller aus Boniswil mit Oel Autos im Grossformat
Der Star der Popartbewegung in der Schweiz Mitte der sechziger Jahre, der noch heute leuchtet mit eigenem Museum in Burgdorf, ist Franz Gertsch aus Mörigen. Er beginnt als Leser von Popzeitschriften Fotografien als Bildvorlage für seine Gemälde und Collagen zu verwenden. Die Rolling Stones waren seine Lieblingsgruppe und ihre Umrisse in wenigen aber ausdrucksstarken Farben hängen an den Wänden der zahlreiche Räume umfassenden Ausstellung im Kunstmuseum Aarau.
Mag die Popart als eine der wichtigsten internationalen Kunstströmungen der Nachkriegszeit angesehen werden, so zaubern die Tomaten- und Puddigabbildung von Peter Stämpfli aus Diesswil aus heutiger Sicht nur ein müdes Lächeln hervor, den wir haben uns an das bunte Design im Alltag, in der Werbung, auf der Verpackung gewöhnt, was nichts anderes heisst, als Popart hat den Sprung aus den Ateliers ins Leben des Volkes geschafft und die Sichtweise verändert.
Drei Sprachgegenden der Schweiz sind mit Künstlern in der Ausstellung vertreten und der Aarauer Max Matter arbeitete auch mit Plexiglas und Hintergrundbeleuchtung, während Markus Raetz aus Bern Figuren aus Holzfaserplatten sägte und bunt anmalte.
Neben der Ausstellung, für die man sich gut eine Stunde, wenn nicht mehr Zeit nehmen sollte, veranstaltet das Aargauer Kunsthaus diverse Veranstaltungen wie das Künstlergespräch mit den Urgesteinen der Szene vor Ort im Ziegelrain Max Matter und Markus Müller am 28. Juni 10 Uhr oder ein Konzert zum 55jährigen Bandjubiläum von Les Sautrelles am 1. September 20 Uhr.
Und ohne die Kraft der Musik wäre auch die Swiss Pop Art nie entstanden, die uns wie am Aarauer Bahnhofplatz, wo ein Flüchtling eine rote Plastiktulpenknospe als Stuhl öffnet und sich daraufsetzt, bis heute über den Weg läuft und den grauen Alltag bunter macht.

Weitere Informationen zur Ausstellung hier 

Bildlegend
1
Markus Müller, Lahco, 1970
Öl auf Baumwolle, 150 x 165 cm
Aargauer Kunsthaus, Aarau
Foto: Brigitt Lattmann
2

 

Rainer Alfred Auer, B.B. / objekt, 1968
Kunstharz, 61 x 71 x 54 cm
Leihgabe von Christian und Beatrice Auer
Foto: Primula Bosshard
3

 

Markus Müller, Fulvia, um 1968
Öl auf Baumwolle, 150 x 200 cm
Aargauer Kunsthaus, Aarau
Foto: Brigitt Lattmann
4
Peter Stämpfli, PUDDING, 1964
Öl auf Leinwand, 146 x 165 cm
Aargauer Kunsthaus, Aarau
Ankauf ermöglicht durch die UBS Kulturstiftung
Foto: Archiv P.S.
5
Max Matter, Schloss Chillon, 1968
Spray auf Kellco, 121.3 x 150 x 1.8 cm
Aargauer Kunsthaus, Aarau / Schenkung aus dem Nachlass Robert Beeli

Anastacia und Stefanie Heizmann bei moments of music Kursaal Bern

Obwohl Stefanie Heizmann und Anastacia mit ihren letzten Alben hinter den früheren Erfolgen zurückblieben, gaben sie am zweiten Abend von moments of music im Kursaal Bern Live-Frauenpowervollgas.

Nach „Bära“ seien sie gereist, um das erst zweite Konzert dieses Jahres ihres Schätzli aus Visp-Eyholz zu sehen, gaben die Walliserfrauen im Lift zum fünften Stock der Kursaalarena zum besten. Sie war nicht ausverkauft, doch besser besucht als der Donnerstagabend. Die 28jährige Stefanie Heizmann neu mit blonden Haaren versuchte in den ersten Minuten und später noch oft gegen das zu laute Schlagzeug anzusingen mit der Soulstimme, mit der sie vor zehn Jahren den Sieg bei der Stefan Raab Castingshow nach Hause ins Wallis brachte. „My man is a mean men“ war den auch der Höhepunkt, obwohl es bereits ab dem fünften Song ab ging und die Temperatur im Saal stieg.

Wo Stefanie ist, ist Bruder Claudio nicht weit und der ist für das Liederkomponieren zuständig. Doch wie bereits Chris von Rohr anlässlich der Swiss Music Award Verleihung an Stefanie hinter den Kulissen über das letzte Album kritisch anmerkte, fallen dem Mann keine Hits mehr ein. Der Mittelteil des Konzerts lieferte dann die Tatsachen. Die Lieder kamen und gingen ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Stefanie versuchte die Situation zu retten, indem sie mit den Zuschauern leichte Phrasen sang. Erst bei der letzten Nummer und dem letzten Hit „Digging in the dirt“ rockte der Saal wieder und die Zuschauer kamen noch in den Genuss einer Zugabe.

Den Beginn hatte wohl die Amerikanerin und das Publikum etwas anders vorgestellt. Da kündigte der Sprecher Anastacia als Stimmwunder an und in den ersten zwei Songs war davon auch wegen technischer Probleme nichts zu hören. Die Sängerin wirkte fahrig und eine Zuschauerin fragte ihren Mann, ob der Krebs der Frau auch das extreme Stimmvolumen geraubt hatte? Doch wer wie Anastacia in der Schule wegen Morbus Crohn oft fehlte und zweimal den Brustkrebs besiegte, wäre nicht Frau und Stehaufmännchen in einem, um sich wieder zu fangen. Ab dem dritten Song war dann die Rockröhre wieder da bei „Paid my dues“.
Die Amerikanerin sprach recht viel mit dem Publikum und Showelemente, tanzende Frauen und Kleiderwechsel durften in diesem 90 Minuten Konzert auch nicht fehlen. Ein Höhepunkt war „Cowboys and kisses“ im Mittelteil oder das Duett mit der Backgroundsängerin Maria, die anstelle von Eros Ramazotti „I belong to you“ sang und besser war als die Frau aus Chicago. Die machte den Berner und ihrer schönen Stadt Komplimente und sang gegen Schluss mit „Not that kind“ und natürlich „Outta of love“ die Hits, die jeder hören wollte in einem Konzert, das oft an einen Stadiongig von der Haltung der Musiker her erinnerte und den Kursaal bis auf die Grundmauern rockte.

Fotos Copyright Moments of Music