Während in der Berner Innenstadt die Vorweihnachtsrabattschlacht tobt, zeigen auf der internationalen Designermesse Blickfang auf dem Expogelände 120 Kreative aus dem Kanton und Gäste bis zum 26. November, wie guter Geschmack aussehen kann und Erzeugnisse mit Seele hergestellt werden.
Im Vorwort zur Premiere der Designermesse Blickfang in Bern schreibt der Schirmherr der Ausstellung Stadtpräsident Alec von Graffenried, dass gutes Design selten auffalle, das Gegenteil davon schon. Würde dies auf das Bild in den Lauben Berns zutreffen, hätten alle einen schlechten Geschmack, doch scheinbar wandelt sich die Einstellung einiger Leute und 120 Gestalter aus dem In- und Ausland sind nun bis Sonntag vor Ort, um ihre Ideen in kleiner Stückzahl an Käufer mit Haltung zu zeigen.
Sabine Brägger kommt aus Neuenegg hat ihre Abschlussarbeit in Textildesign zum Beruf gemacht. Sie verwendet die Haut des Störfisches aus dem Tropenhaus Frutigen für Uhrenarmbänder, Schuhe, Taschen. Die silbrige Haut des Fisches ergibt ein sehr widerstandfähiges Accessoir und ist nachhaltig zugleich.
Herr Eicher von der Firma Eicherland wohnt in Schwarzenegg, einem Ort im Berner Oberland, wo man abends die Türen nicht abschliessen muss, so versteckt liegt das. Doch seine Liebe zum Holz und die lange Beschäftigung damit hat sich das Kreativeteam Eigenwert von Designer Lars Villiger und Andreas Pfister in Worb zu nutze gemacht und stellt nun mit 14 Mitarbeitern von Eicherland, von denen einige IV-Bezüger sind, aus Fichten und anderen Hölzern urchige Gegenstände für den Alltag mit einer eigenen Note her.
Seit fünf Jahren entwerfen Nicole Verbeek und Evelyne Pfeffer an der Monbijoustrasse 99 unter dem Namen PAMB Mode für sie und ihn und lassen die dann in Polen herstellen. Ob die Modefarbe des Winters Rot oder elegantes Schwarz das Modelabel steht für den selbstbewussten Kunden, der sich nicht mit Stangenware verkleiden sondern elegant kleiden möchte. Und Evelyne Pfeffer ist sich dann auch nicht zu schade, Faden und Nadel hervorzunehmen im Laden und einen Rock ohne Aufpreis zu kürzen.
Die Brüder Jonathan und Samuel Gadient kommen aus Leimbach Kanton Thurgau und lieben Holz, fanden als Kind, dass Grossmutter zuviel aus Plastik im Haushalt hat und haben nachdem sie sich als Schreiner oder Holzbauingenieur ausgebildet haben, das Möbelatelier Gr. Gadient gegründet. Neben dem Bett und Stuhl findet sich da auch ein Wäschekorb oder Chügeliturm aus Holz im Sortiment.
2014 gründeten Elena Corazza und Stephanie Althaus das Schmucklabel elie jewelry in Zollikofen auch aus Verzweiflung heraus. Da machten sie sich chic, kauften einen rückenfreien Rock, doch ohne BH in Bern in den Ausgang war ihnen dann schon etwas zu gewagt. Doch wie kann ein schöner Rücken entzücken, wenn der Träger des BHs durch das offene Teil des Kleides geht? Wie vieles in ihrem Sortiment hat auch die Lösung für dieses Problem Eleganz, den die Designerinnen entwarfen Schmuckstücke, die Frau an den Enden des BHs befestigen kann und nun glänzt der Rückenschmuck auf der Haut.
Unkonventionelles Design und ein Stück Wertigkeit, genau das will Jennifer Reaves seit 18 Jahren als Geschäftsführerin mit ihrer Plattform Blickfang. Nach 20 Jahren in Zürich und 9 Jahren in Basel ist nun also Bern dran und sie hat im Beisein des Botschafters kreative Köpfe aus den Niederlanden mitgebracht.
Rene Siebum aus Eindhoven ist ein langgewachsener Holländer mit einen Lächeln auf den Gesicht und er hat sich als Gestalter dem schlechten Sitzen der Büromenschen angenommen und möchte mit den Spine Stool, das sind so drei Holzklötze, die man aufeinandersetzten kann und dann einen Stuhl ohne Lehnen ergeben, zwei Sachen zusammenbringen. Der gerade Sitz für eine bessere Haltung und Holz für die Aesthetik.
Er und 120 andere Designer sind noch bis am Sonntagabend in der Berner Expohalle 2.0 und geben nicht nur gerne Auskunft und laden zum Gespräch ein sondern warten auch gespannt darauf, wer den am Schluss den diesjährigen Blickfang-Designerpreis erhält.
Bis zum 31.12. erleuchten zum sechsten Mal an 12 Plätzen in Lausanne abends spezielle Lichterkunstwerke geschaffen von Künstlern aus der Schweiz, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden.
Zwar beginnt das Festival des Lichts mit einer Projektion bereits am Bahnhof, doch am Besten überquert man die Strasse, geht die Steigung neben dem Imbissladen hoch bis zum Place St. Francois. Hier vor der Kirche ist der ideale Ausgangspunkt für den Rundgang durch die vorwiegend in Quatier Flon liegenden Lichterkunstwerke.
Ob Projektionen an Häusern, Skulpturen oder Bühnen, die hellen Farben sind eine willkommene Abwechslung für die dunklen Winterabende. Jeweils Dienstags findet ab 19 Uhr eine Führung zu den Kunstwerken mit Hintergrundinformationen statt und drei thematische Weihnachtsmärkte laden zum Geniessen und Shoppen ein.
Weitere Informationen und eine Karte der Stadtorte finden Sie hier
Im Herbst puhlen in der Region Zürich viele Zirkusse um die Gunst des Publikums. Doch keinem hält das Publikum die Treue und das Herz wie dem Thurgauer Circus Conelli wie die Premiere bewies. Noch bis zum Jahresende gibt es am Stadthausquai Unterhaltung mit dem Zauber von Artisten aus aller Welt.
Wenn die Zirkuswagen aus Lipperswil an den Zürchersee fahren, steht der Advent vor der Tür. Als Kontrastprogramm zum Kommerz in der Bahnhofsstrasse, lädt Direktor Roby Gaser 2,5 Stunden ins hell erleuchtete rote Zelt auf dem Bauschänzli. Als Ablenkung von den schlechten Nachrichten der Welt will er sein Programm auch im fünfunddressigsten Jahr verstanden wissen und setzt unteranderem auf Maxim Popazov.
Zirkuskennern wissen, dass der die Goldmedaille beim Zirkusfestival in Kiew, Ukraine und den silbernen Clown in Monte Carlo gewonnen hat, doch dem breiten Publikum wurde er erst als Artist mit der Geburtstagstorte und 12 Stühlen bei der TVsendung „American‘ s got Talent “ bekannt und versetzt nun das Schweizerpublikum in Staunen und hat gleich noch seine Frau Maria Sarach-Popazov mitgebracht, die ihrem Körper alles abverlangt mit ihren schwierigen Verrenkungen, für die sie viel Applaus erhielt.
Die Darbietungen auf dem Trapez sind immer jene Momente, in denen das Publikum leise wird, weil es die Gefahr kennt, in die sich nach der Pause Alain Alegria in der Zirkuskuppel begibt. Kein Netz schützt ihn, wenn der Portugiese auf dem Washingtontrapez seine Tricks auf einem Stuhl zeigt und durch die Luft wirbelt.
Als Gott die Kraft verteilte, müssen Adam und Anton wohl zweimal angestanden sein, den als Duo A & A sind ihre Muskeln nicht nur ein optischer Hingucker sondern ihre Darbietung löste vom ersten bis zur letzten Sekunde bei Frauen und Männern Begeisterung aus. Mit der Kraft und Energie, die diese zwei Baumstäme einander in die eine oder andere Richtung und Höhe heben und sich dabei noch um die eigene Achse drehen am Boden, machte sie zu den Stars des Abends beim Publikum ab 30 Jahren.
Neben vielen anderen Artisten aus dem Ausland sorgen Gaston, Roli und Fritzi aus der Schweiz für den Spass zwischendurch. Fritzi war als Clown bereits bei den ersten Conellivorstellungen dabei und mit seinen zwei Freunden, die durch ihre Naivität vieles durcheinander- und das Publikum zum Lachen bringen wie an der Premiere mit viel Promis wie Christoph Blocher, Lyss Assia, Zürcher Stadtrat wird der Circus Conelli mit einem tradionellen Zirkusartistenprogramm ohne grosse Experimente noch bis zum 31.12.18 das Kind in einem zum Lachen und Staunen bringen.
Wer in Verbier seine Wohnung zur Liederwerkstatt für Hits umwandelt, das Restaurant „La vache“ im Ort mit einer Namenspizza auf der Speisekarte führt, ist ein halber Schweizer. War das Konzert von James Blunt im Hallenstation Zürich deshalb ein Heimspiel?
Die vielen Konzertverkäufer vor dem Hallenstation liessen nach dem gefloppten letzten Album „Afterlove“ Negatives erahnen, doch das Station war zu 80% ausverkauft. Was viele nicht wissen James Blunt bekommt von Freund Ed Sheeran , mit dem er vor der Europatournee, 3,5 Monate auf USA Tournee war, Hilfe beim Lieder schreiben. In Zürich durfte aber Ed das Vorprogramm mit seinem Schützling Jamie Lawson besetzten, der das hatte, was der Abend im ersten Drittel vermissen liess, eine facettenreiche Stimme.
Zum Glück gibt es die Zusammenarbeit mit DJs für Künstler mittleren Alters, die diese mittles tanzbaren Songs wie „It Ok“ von Robin Schulz, Eröffnungs- und Schlusslied des Konzertes, wieder auf Hitkurs zu bringen. James Blunt vermied es denn fast gänzlich viel aus dem Flop „Afterlove“ am Ort, wo er die erste Single „love me better“ an den Swiss music awards Weltpremiere feierte, vorzutragen und entschied sich an der Gitarre oder am weissen Flügel für die unzähligen Balladen der letzten 12 Jahre.
Von der vierköpfigen Männerband zwischen drei Leinwänden in ein weisses Bühnenbild eingebetet, erhielt das Publikum mit vielen über dreissig Jährigen, das was es wollte, den Soundtrack für die reife Liebe in der Lebensmitte vorgetragen von einem fitten, scheinbar nicht gealterten englischen Singer/Songwriter.
Spätestens ab dem dritten Song lag ihm das Schweizer Publikum zu Füssen und lauschte interessiert auch den Anekdoten zu. Die waren fast noch interessanter als die 3 Minuten Texte besonders zum Höhepunkt des Abends „You re beautiful“. Mit dieser Jahrhundertballade gab James Blunt den Einstieg ins Popgeschäfte, verabschiedete sich als Soldat vom Bosnienkrieg und vom Elternhaus einer Militärsfamilie mit Tradition.
James hattte dieses Lied geschrieben, nachdem er bekifft eine schöne Frau, die mit ihrem Mann auf dem Weg zur Hochzeit in der Londoner Metro war, anmachte und Prügel und eine Nacht Gefängnis dafür kassierte.
Vor Weihnachten geht die Europatournee zu Ende und James wird sich mit Ehefrau und Sohn wieder nach Verbier zurückziehen und Ed Sheeran das Skifahren beibringen und beim Fondue oder Pizza „Blunt“ essen an den gelungenen Abend in Zürich zurückdenken.
Funktioniert die Komödie „Der schwarze Hecht“ von Paul Burkhard von 1939 mit dem Welthit „O mein Papa“ 2017? Wenn das Bernhard Theater Zürich das musikalische Lustspiel in drei Akten in die Regie von Erich Vock gibt grösstenteils ja.
Als Jörg Schneider im August 2015 verstarb, war sein Nachfolger als Volksschauspieler mit Erich Vock bereits gefunden. Für das Bernhardtheater ist der Schauspieler und Regisseur der Goldessel schlechthin, bringt er doch mit „Cabaret oder der Niederdorfoper“ ohne Mut zum Experiment publikumswirksame Kost auf die Bühne und begeistert Massen.
Als eine Mischung aus Muscial und Komödie ist es diesmal die Paul Burkhard Adoption von Emil Sautters „De sächzigscht Giburtstag“ bekannt als „der schwarze Hecht“ – die Abrechnung mit der Zürcher Gesellschaft, ihren grauen Seelen und der biederen Moral.
Sabine Schneebeli (der Bestatter) alias Karline Oberholzer möchte ihrem Gatten Hansjörg Bahl (Amag-news) alias Albert zum 60. Geburtstag eine Freude bereiten und lädt seine Geschwister und ihre Ehepartner ein. Doch die Verwandtschaft des Fabrikanten ist launisch, herr- und streitsüchtig – kurz so wie man sich vermögende Zürcher vorstellt – irgendwie durchtrieben.
Nachdem Nadine Michelle Arnet als Tochter Anna und Fabienne Louves als Köchin bei jeder Probe ihres Duetts für den Papa von der Hauskingel zwecks Einführung der Figuren ins Spiel unterbrochen werden, fehlt dem Volktheaterstück noch der Spielverderber.
Der kommt mit dem besser sprechenden als singenden Philippe Roussel als Bruder Alois und sexy Viola Tami als Zirkusdirektorsfrau Iduna. Sie wurde im Nachtzug zwischen Budapest und Paris gezeugt und verdreht als Frau den halbstarken Schweizer Männer den Kopf und bringt das Fest ins Wanken und Tochter Anna ins Träumen vom Zirkus.
Viola Tami als femmes fatal überzeugt von der ersten Minute an singend und sprechend und ist der Star des ersten sehr lustigen Aktes.
Noch mit einer Lachträne im Auge hofft der Zuschauer auf ähnliches im zweiten Teil, wo sich das Bühnenbild vom Wohnzimmer in den Zirkus Obolski verwandelt und jeder Schauspieler vom ersten Teil eine Rolle in der Manege hat. Hier blühen Daniel Bill und Erich Vock als Clowns auf.
Leider sind die Gags im Laufe des Spiels altbacken und irgendwann Kinderzirkus. Alles hat man irgendwie schon mal gesehen. Auch der Rest des zweiten und dritten Aktes, wo deutlich mehr gesprochen als gesungen wird als im ersten, ist nicht mehr so prinkelnd obwohl sich Maja Brunner als fauchender Löwe oder männermordene Ehefrau Paula recht Mühe gibt, ist es Christian Menzi als junger Fischer und Weissclown, der Anna auf die poetische Art anmacht und natürlich nochmals Viola Tami im roten Kleid und tausend Messer im Rücken der eifersüchtigen Frauen, die berühren.
327 Vorstellungen, 127 000 Zuschauer für die „Kleine Niederdorfoper “ und später für „Stägeli uf und Stägeli ab “ 50 000 Zuschauer lockte Erich Vock ins Bernhardtheater. Ob bis zum 4. Februar 2018 die Erfolgsgeschichte mit dem „schwarzen Hecht“ weiterführt, werden die nächsten Wochen zeigen.
Wer leichte Unterhaltung mit viel Lachern gegen den Novemberblues sucht, ist mit der jetzigen 2, 20 stündigen Inszenierung gut bedient.
Als Kind einer Hippie -Landkommune im Berner Jura aufgewachsen, als Schlagzeuger in den 80ier unterwegs und nach der Zaffaraya-Besetzung in den 90ier vom Hip Hop Fieber angesteckt, veröffentlicht NISU jetzt „Homo sapiens“, die vielleicht lebensfrohste, frischeste Scheibe Pop mit der Liebeserklärung ans Breitenrainquartier und die Lorraine in Bern.
Nisu, seit dem 3. November gibts das Debut von Dir. “Homo Sapiens” tönt sehr frisch und kraftvoll. Muss man 1976 als Kind von Hippies in Villeret auf die Welt gekommen sein, um als ewige Kraftwurzel durchs Leben zu gehen und nicht wie viele am Menschen zu verzweifeln?
Es schadet sicherlich nicht. Ich glaube, es ist die Mischung aus Anteilnahme am Geschehen der Welt und einer gesunden Ignoranz. Auch als Weltverbesserer brauchst du manchmal einen Abend frei. Und wenn das nicht mehr hilft, rufe ich mir in Erinnerung, dass dieser ganze Weltuntergangsmist auch nur ein Ausdruck der menschlichen Selbstüberschätzung ist. Die Welt wird sich munter weiter drehen, untergehen wird nur der Homo Sapiens. Schade ist nur, wie viel er mit sich reissen wird.
Du liebst das Breitenrainquartier und die Lorraine innig. Hast Du hier die grosse Liebe gefunden oder was ist an diesen Häusern und Strassen so speziell für Dich?
Es ist meine Heimat. Hier habe ich fast mein ganzes Leben verbracht. Hier habe ich die Welt entdeckt, alle Premieren – ersten Male erlebt, viel Scheiss angestellt, und ja, auch die grosse Liebe gefunden.
Du warst Punk, warst bei der Zaffaraya Besetzung dabei und hast die Lehrerausbildung abgebrochen. Wie haben dich die Brüche und das Rebellentum geprägt persönlich und musikalisch?
Eigentlich war ich nicht wirklich ein Punk. Ich war ja noch ein Kind. Ich war nur Teil dieser Welt. Den Rebellen in mir bin aber nie richtig los geworden. Ich hinterfrage alles und glaube es erst, wenn ich es auch verstehe. Ich glaube, das kann für andere recht anstrengend sein. Musikalisch gesehen, gehe ich vielleicht zu straight meinen eigenen Weg, ohne auf die Konkurrenz oder den Markt zu achten.
“Homo sapiens” tönt nicht altbacken sondern zeitgenössischer als viele andere Berner Produktionen. Wie war die Zusammenarbeit mit Produzent Dam Brühlhart. Hatte er die Ideen für den trendigen Sound oder hast du die alte Plattensammlung weggeworfen und viel Neues gehört?
Nein, für das Soundkonzept ist einzig auf Dams Schultern zu klopfen. Ich war für die Harmonien, Rhythmen und Ideen zuständig. Er hat die Sounds ausgewählt, ich habe die Instrumente eingespielt. Perfektes Teamwork.
Eigentlich wäre “Homo sapiens” der ideale Sommerhit gewesen vom poppig, groovigen Sound her. Hast Du nicht Angst, dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung schlecht gewählt wurde und die Schwermut des Novembers grösser ist als Deine Fröhlichkeit?
Ich denke, dass die erste Radioauskopplung „Lorraine“ mit ihrer melancholisch-verträumten Stimmung ganz gut in den November passt und der zynisch, resignierte Text von „Homo Sapiens“ sich problemlos im Januarloch versenken lässt. Und das ist ja erst der Anfang. Der nächste Sommer kommt schon bald.
Bald beginnt die Tournee, vorerst im Kanton Bern. Wie sieht Deine Band aus und was hast Du für Action bereit?
Die Band bin vorerst ich, unterstützt von ganz viel mir. Ich gehe das erste Mal mit einem Halbplayback auf die Bühne, und es fühlt sich schon etwas seltsam an. Immerhin habe ich meine Begleitband selber eingespielt. Auf der Bühne spiele ich noch diverse Instrumente wie Handorgel, Melodica, Kazum, je nach Location Piano und ich mache einige Percussions-Soli. Aber meistens lasse ich einfach entspannt den Rapper raushängen.
Die eine ist 15fache Grammy Gewinnerin aus New York City und seit Anfang des Jahrhunderts ein Star, die andere kommt aus Boston und lebt in Basel und muss sich ihre Fangemeinde noch ersingen. Kam nun Alica Keys poppiger R&B oder Annie Goodchilds GospelSoul besser an im ausverkauften Saal der Baloise session ?
Aus Liebe zu einem Schweizer Mann sei sie nach Basel gezogen, erklärte Annie Goodchild aus Boston in der Mitte ihrer aus acht Songs bestehenden Vorgruppeession, die sie mit Nasenring und barfuss sehr spährisch begann und dann unzählige „OOh yeahs “ enthielt, einen Song ohne Namen, ein schlechtes Tracy Chapman Cover und mit der 5-köpfigen Band Ausflüge in den Rock. Mit wenig Text und grosser Stimme stellte sich Annie Goodchild erstmals einem grösseren Publikum, das auch über einen Livesteam von Hause zu schauen konnte, vor, doch ihr Auftritt bliebt Meilen weit hinter dem, was mit zehnminütiger Verspätung kurz vor halb zehn Uhr begann.
Mit sehr hohen Absätzen und pinkenen Rastalocken schritt Alica Keys auf das Piano zu. Würde sie sich wieder so ins Zeug legen wie bei ihrem letzten Auftritt in der Schweiz vor fünf Jahren am Montreux Jazz Festival, wo die Ordnungshüter reihenweise Zuschauer aus dem kochenden Saal rausholen mussten?
Wer mit 16 Jahren in New York als Tochter eines Flugbegleiters und einer Musicaldarstellerin die Schule abbricht, muss entweder auf Drogen sein oder so überzeugt von seinem Talent, dass er auf den harten Strassen der Weltstadt überleben kann. Zwei Jahre später gab es für „Fallin“, dem Höhepunkt der Baloise session, den ersten Grammy und viele folgten, wie alle Jahre ein neues Album mit dem gleichen Trick. Alica Keys ist primär eine Pianospielerin und ihr Talent war und ist, die Klavierstücke mit Pop, RnB, Rap, Soul massentauglich und stets in einem neuen Kleid zu verpacken.
Das ging viele Jahre im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts gut und es gab Evergreens wie „Superwoman, no One, Empire etc.“ das Programm ihres zweistündigen Baslerauftrittes.
Das ausverkaufte Doppelkonzert an der Baloise session ihrer aktuellen Tournee war ja auch eine Art Rückeroberung an verlorenem Terrain, den nach der Babypause seit 2012 floppte das letztjährige Album „Here“ und Alica Keys machte mehr Schlagzeilen über ihren Nudelook, sich nur noch ohne Make up und mit Sommersprossen zu zeigen, als mit Musik.
Ohne sichtlich gealtert zu sein, absolvierte Alica Keys in Basel zusammen mit ihrer fast nur aus Schwarzen bestehenden Band, ein Konzert, das eine Frau zeigte, die bekannte Songs oft spontan noch in neue Kleider packte und grosser Stimme, die die ganze Zeit über alle Töne traf, alle Register ihres Könnens zeigte und das Publikum immer begeisterte. Im letzten Drittel animierte der gar laute Sound das Publikum zum Tanzen und mit einer Zugabe, einem „Basel you are amazing“ aber ohne Verabschiedung verliess Alica Keys die Bühne und bestätigte mit dem Doppelkonzert an der Baloise session ihren Ruf als musikalisches Ausnahmetalent.
Gerade mal 6 Gemälde der rund 1400 Werke der 2014 im Testament von Cornelius Gurlitt vermachten Bilder sind Raubkunst, der Rest wurde und wird noch untersucht. Das Kunstmuseum Bern zeigt rund 160 Werke der Aktion „Entartete Kunst“ mit Werken von Ernst Ludwig Kirchner, Franz Marc und Otto Dix. In der Ausstellung werden auch die politischen Vorgänge thematisiert und nach einem Durchgang wird sich der eine oder andere Besucher fragen, ob die Aufregung und Kosten um den Fund eines der wichtigsten Kunsthändlers im „Dritten Reich“ gerechtfertigt sind?
Es ist eine der schönsten Beschäftigungen mit dem Können eines kreativen Menschen, dessen Erzeugnisse zu kaufen und mit dem Geist der Motive an den Wänden seine Wohnung und den Alltag zu verbringen. Die Gurlitts malten nicht nur, sie kaufen in Mengen Gemälde, so dass man nach dem Ende von Cornelius Leben in der kleinen Münchnerwohnung und im Salburgerhaus 1400 Kunstwerke fand. Er war also ein Kunstmessi, aber auch einer der sich blenden liess von der Schönheit der Farben, den mit jedem Werk kaufte er und besonders sein Vater während des Nationalsozialismus auch eine Geschichte. Doch war die astrein?
Die Schlagzeilen um das Testament und die langen Verhandlungen der letzten drei Jahre gingen um die Welt und so verwunderte es nicht, dass an der Pressekonferenz zur aktuellen Ausstellung auch die Weltpresse in Bern anwesend war. Ein BBC Journalist stellte an das Kuratorenteam Bern und Deutschland, wo gleichzeitig in Bundeskunsthalle Boon Gurlitts Erbe ausgestellt wird, die Frage: Haben sich der Aufwand und die Steuergelder in der sogenannten Provenienzrecherche Gurlitt“ – dem Nachforschung, ob es nun Raubkunst ist oder nicht – gelohnt? Es bliebt einen kurzen Moment still, jeder der Kurautoren schaut den anderen an und es folgte eine Erklärung und Rechfertigung. Doch was erwartet den Besucher im Untergeschoss des Kunstmuseums Bern?
Rund 150 Werke, viel Mittel- und Kleinformate von Künstlern, die von der Herkunft und Ideologie als entartetet galten und nun mit Infotafeln in die Kampagnen und Zeitgeschehnisse eingeordnet werden. Die Arbeiten auf Gouachen, Aquarelle, Farbholzschnitten, Zeichnungen und Druckgrafiken sind aus den Epochen Symbolismus, Expressionsmus, Konstruktivismus und Neue Sachlichkeit. Die Dresdner Künstlergruppe „Die Brücke“ mit Otto Dix ist besonders stark vertreten.
Mögen Namen wie Emil Nolde, August Macke, Otto Mueller einen gewissen Ruf haben, sind ihre in Bern ausgestellten Werke keine Meisterwerke. Vieles was jetzt als Besonders gilt, wäre an einer Ausstellung in einem anderen Kontex im Nebenraum aufgehängt worden.
Ein zweiter Raum der Ausstellung zeigt die Arbeit der Provenzienrecherche Gurlitt“ und das Kunstmuseumskino zeigt auch Stefan Zuckers Dokumentationsfilm „Gurlitts Schatten“. Für Leute aus der Berufsgattung Bildende Kunst und Geschichte sicher hochinteressant und es werden noch einige Ausstellung in den nächsten Jahren zum Thema folgen. Für den Laien, der sich gerne berauschen lässt von schönen Bildern, muss sich auf eine sehr sachliche Ausstellung gefasst machen und nicht wenige wird sie langweilen.
Die Ausstellung Bestandsaufnahme Gurlitt – Entartete Kunst. Beschlagnahmt und Verkauft – dauert noch bis zum 11. März 2018.