Rapperswil – 11Ä – die Rapperin aus dem Dorf und ihr Debut HIE

Die Berner Rapperin 11Ä ist 32 Jahre alt und wohnt mit ihren zwei Töchtern, drei Katzen und drei Schafen auf einem Bauernhof in Rapperswil, was zwischen Biel und Solothurn liegt. In Mundartraps auf ihrem Debut „HIE“ erzählt sie aus ihrem Leben und Begegnungen und schildert im Interview wie es dazu kam.

 

 “Hie”ist ja auch das Produkt einer Frau, geboren in den Achtziger Jahren, die Wert auf Aussage legt. Das Schreiben der Texte dauerte aber vier Jahre. Welche Themen verarbeitest Du auf dem Album und ist der Song “Liebi” Deine Geschichte?
„Liebi“ sollte im Allgemeinen die Geschichte eines jeden Menschen sein.
Ich verarbeite vorallem Gefühle in meinen Songs. Echt und ungefiltert. So mag ich Musik. Wenn sie aus dem und Leben von uns allen erzählt.

Damit vom schnellen Sprechgesang nicht nur warme Luft übrigbleibt, besticht Deine Platte durch wirkliche viele ausgefallene Beats und Skills. Hast Du ein Heimstudio oder woher und bei wem holst Du Hilfe dafür?
Ich schreibe meine Songs selber. Immer allein bei mir im Musikzimmer, wenn die Kids schon schlafen. Die Nacht gehört mir.
Inspiriert werde ich vom Leben und den Instrumentals, die ich gerade ausgewählt  habe. Aus Gefühl und Melodie werden Worte.
Unterstützt und neu inspiriert hat mich DJ Stroke. Mit ihm zusammen durfte ich das ganze Album aufnehmen.


Steff la Cheffe war die erste Berner Rapperin, die aber auch recht schnell wieder von der Bühne verschwand, weil sie fast nur mit Männern abrechnete. Ist die METOO Debatte auch für Dich ein Zug, auf den es aufzuspringen gilt?
Steffe la Cheffe ist bestimmt nicht von der Bildfläche verschwunden. Ihr nächster „Streich“ ist nicht weit. Vorfreude!!!
Ich habe nicht vor auf den Zug der #METOO Debatte aufzuspringen. Allerdings… Wer mein Album gut kennt, weiss, dass ich aber allen Grund dazu hätte.
 
Ueberlegtest Du einen Moment, das Für und Dagegen einer Karriere als Rapperin, welche Folgen als Mutter aus Rapperswil das haben wird?
Ich habe Glück. Meine Kids sind Teil meiner Crew. Sie unterstützen mich liebevoll und geduldig bei allem was ansteht und freuen sich am „Erfolg“.
Trotzdem bin ich vorsichtig und vermeide zu viele Termine. Die Familie muss immer die Priorität Nr. 1 sein.
Mit viel „Fingerspitzengefühl“ ist es möglich, den Kids und meiner Leidenschaft für die Musik genug Raum zu geben.
Nun ist das Debut “Hie” draussen und Du lebst Deinen Traum nicht bloss ein Leben für die Arbeit. Was planst Du für die nächsten Monate?
Ich plane keine konkreten Schritte.
Was aber feststeht, sind die Konzerte mit meiner Crew. Darauf freuen wir uns alle sehr.
Und… in meiner „pipeline“ schlummern schon ein paar Geheimnisse. Also bis bald und noch balder. Öichi 11ä
 
Weitere Informationen zu 11Ä hier
Die Fotos wurden zur Verfügung gestellt von 11Ä, das Interview wurde online geführt.
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Bern – Touchdown – Menschen mit Down Syndrom und ihre Kunst im Zentrum Paul Klee

 

Zu Künstlern und Menschen mit Down Syndrom hat der Grossteil der Bevölkerung keinen Kontakt und begegnet ihnen mit Distanz. Bis zum 13. Mai begibt sich das Zentrum Paul Klee Bern auf eine Spurensuche nach dem Leben von Menschen mit Down-Syndrom in verschiedenen Ländern und ihrer Kunst.

 

Sie leben unter uns, kaufen im Migros ein und stehen im Tram neben uns und doch vermeiden die Meisten ein Gespräch mit den Down Syndrom Frauen und Männer, denen ihre Gesicht und oft die Stimme anders ist als grosse Teil der Gesellschaft. Doch auch wenn sie eine Minderheit sind, sind sie gleichwertig und haben etwas zu erzählen.

Die Ausstellung im Kleemuseum will eine Forschungsreise mit und über Menschen mit Down Syndrom sein. Eine kulturhistorische und experimentelle Spurensuche in die Vergangheit und Gegenwart der Menschen mit Down Syndrom, die zusammen mit ihnen und Fachleuten erarbeitet wurde. Die Ausstellung hat sieben Kapitel und 100 wissenschaftliche und künstlerische Exponate aus Archäologie, Zeitgesichte, Medizin, Genetik und bildender Kunst. Letzteres sind die Werke der Schweizer Künstler mit Down Syndrom wie Pia Heim, Anne Lise Janneret und Viola Li

Die Ausstellung wird von einem reichhaltigen Rahmenprogramm mit wissenschaftlichen und inklusiven Podien sowie Performances begleitet. Ein besonderer  Höhepunkt ist die Feier zum 50-jährigen Bestehen der Special Olympics , die weltweit grösste Sportbewegung für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung. An der Ausstellungseröffnung Touchdown wird ein symbolisches Feuer für Gleichstellung, Wertschätzung und Akzeptanz von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung entzündet.  Für den Final Torch Run wird die Flamme am 13. Mai im Zentrum Paul Klee abgeholt.

 

Weitere Informationen zur Ausstellung hier 
Bildlegenden
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Daniel Rauers Ohrenkuss-Ausgabe «Superkräfte» 2013  © Martin Langhorst
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Portrait Kunstvermittler/innen mit Down-Syndrom ©Britt Schilling
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Johanna von Schönfeld Ohrenkuss-Ausgabe «Superkräfte» 2013  © Martin Langhorst
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Birgit Ziegert Ohne Titel, 2014 Wollstickerei auf Kunststoffgewebe, 204 x 164 cm Atelier Goldstein, Lebenshilfe Frankfurt am Main e. V., Frankfurt am Main Foto: David Ertl, Köln
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Judith Scott Ohne Titel (Ball), um 1998 Assemblage, Wollfäden, diverse Materialien, 94 x 73.7 x 83.8 cm Collection de l’Art Brut, Lausanne Foto: Leon Borensztein © Estate of Judith Scott

Bern – Mario – Film über Homoliebe bei YB U18 von Marcel Gisler

Im Film „Mario“ von Marcel Gisler wird der Thuner Mario vom Vater jahrelang auf Profifussballer getrimmt. Als er sich dann im Stade de Suisse in den Neuzugang bei den YB U18 Leon verliebt, stellt sich die Schicksalsfrage: Coming out mit allen Folgen oder Lügen für die Karriere?

Bereits der erste Empfang in der echten Kabine des YBs im Stade de Suisse ist für den deutschen Nachwuchsfussballer Leon Saldo (Aaron Altaras) kühl und bis zu seinem unfreiwilligen Ausscheiden aus der Mannschaft wegen seinem Schwulsein, erlebt er viele weitere Seitenhiebe in der Schweiz. Denn bei den YB U18 ist es wie überall in einer Fussballmannschaft von 20 Mann. Jeder muss und will den starken Mann markieren auf dem Feld und Abseits, doch im Film „Mario“ gibt es eine Ausnahme.
Mario, gespielt von der grössten Schauspielhoffnung Berns seit „Verdingbub“ Max Hubacher, zieht mit Leon in eine gemeinsame Spielerwohnung und hier kommen sich die beiden jungen Männer näher, gestehen sich ihre bis dahin noch wenig gelebte schwule Liebe ein und zeigen sich auch mal verliebt, wie sie glauben unbemerkt im Schwellenmätteli oder in der Thuner Altstadt, doch ein Teamkollege streut Gerüchte, die bis ins Kader dringen.
Das Vereinskader wie der Sponsor zwingen Mario, der er als Fussballer auch ein Hampelmann der Fans und der Werbegeldgeber ist, fortan eine Rolle und indirekt eine Lüge zu leben hat mit einer Kollegin als Freundin an der Seite zuerst noch in der Schweiz, später als Nationalfussballer bei St. Pauli Hamburg. Die Liebe zu Leon zerbricht, die gelebte Lüge zeigt sich nachts in Angst und Herzschmerzen. Doch Mario ist zu schwach für das Nachaussenleben seines Gefühlsleben und der Schuss ist, der vieler Fussballer, die ihre Homosexualität nicht leben können, ein Arbeiter auf dem Feld, ein einsamer Mann privat.
Nachdem Coming-out von deutschen Fussballer Thomas Hitzlsperger und dem Schweizer Schiedsrichter Pascal Erlachner nimmt der Film „Mario“ von Regisseur Marcel Gisler das Thema der Zeit auf, den Tabubruch sich in der Machowelt Fussball als schwuler Mann öffentlich zu machen und seine Liebe zu leben. Die erzählte Geschichte ist von der Machart eher ein Fernsehefilm und folgt einer konservativen Geschichtserzählung, die mit 119 Minuten besonders zu Beginn sehr langatmig ist.
Das Liebespaar Aaron Altaras und Max Hubacher harmonisieren sehr gut und der „Verdingbueb“ Max Hubacher ist eine Wucht. Der Berner Giel war schon beim genannten Film 2011, damals noch ohne Schauspielerfahrung und -schule, was sich mittlerweile geändert hat, einer, der sein Spiel eindringlich rüberbringen kann und man keine Minute zweifelt, dass da einer nicht seine Rolle lebt.
Obwohl „Mario“ im letzten Teil in Hamburg spielt, ist es ein Berner Film und mit der Einwilligung für die Dreharbeiten an in den heiligen Hallen des BSC YB und FC St. Pauli und die Schauspieler mit ihren Trainer und Logos auszustatten, haben wohl beide Vereine dem Film von Marcel Gisler zum Thema „Homophobie“ ihre Ehrerbietung erwiesen.
Der Kinostart in der Deutschschweiz ist der 15. Februar

Murten – 3. Lichtfestival im historischen Stedtli

 

Wer nach den Stürmen Gurglind und Evi gleich zu Beginn des Jahres in Schwermut zu versinken droht, dem sei bis zum 28. Januar das Lichtfestival in Murten als Trost empfohlen. Gegen Eintritt verzaubern Lichtkünstler auf 26 verschiedenen Arteplages von 18-22 Uhr die Mauern, den See und die Plätze des freiburgerischen Städtchens. Ein Augenschein.

Es ist nach fünf Uhr abends. Während im Rest des Jahres der Abendverkehr durch das historische Städtchen rollt, sperren Polizisten alle Zufahrtsstrassen grosszügig ab und für zwölf Tage ist Murten wie es immer sein sollte, verkehrsfrei.
Vor der ehemaligen Primarschule ertönen die Trommeln und kleine und grosse Männer tanzen mit dem Feuer.
Auf der rechten Seite vor dem Berntor leuchten bunte Lichtblöcke, das Feuer von heute, den Weg in die Hauptgasse, wo eine der poetischsten Vorführungen des Festivals, das seit drei Jahren stattfindet und nun alle Jahre den Januar in Murten erhellt, verzaubert.
Unter dem Titel „Le grand bleu“ tanzt ein Riesenfisch über dem Kopfsteinpflaster zu den Wohnungen hinauf. An einem Seil führt eine Frau den Fisch durch den starken Wind und die Kinder und Erwachsenen bleiben mit offenem Mund stehen.
In der deutschen Kirchgasse, wo einst Jeremias Gotthelf gelebt hat und eine Kirche vor der Ringmauer steht, öffnet Benoit Gisler die Kirchentür und ein Lichtermeer verwandelt wie die Musik des Freiburger Jungmusikers das Kirchenschiff.
Bevor es zum See runtergeht, erhellt ein Schneemann aus Discokugeln die dunkle Gasse, den alle Strassenlichter in Murten im Zentral sind während des Festivals, dass übrigens nicht mehr Strom als den Jahresverbrauch eines Durchschnittshaushaltes verbraucht, abgelöscht.
Der Nachteil des Festival ist die Kälte und so ist man der Frau am Wasser dankbar, die gerade ihre Installation Arc et lumieres du Vully anzündet und etwas Wärme spendet.
Auf dem Weg zum Museum wird es gruslig. Im Winter sehen die Wenigsten von uns gut aus, aber wenn der liebe Mitbürger dann noch als Selfie und mit einem besonderen Licht hinter einem Elefanten in der Nacht erscheint, lässt Frankenstein grüssen.
Im Museum gibts neben Tee und Suppe einige Shows, wo man wie beim Schattenboxtheater um den Elefanten, der vor Jahren aus dem Zirkus in Murten ausgebüxt ist, selber Energie dazu beisteuern muss.
Das Lichterfestival Murten ist auch für Ordnungshüter vor ihrem Polizeiposten ein Grund mal die starre Mine mit einem Lächeln zu vertauschen und aus dem Polizeiwagen auszuzeigen und ein Fotos vom Arbeitsplatz zu machen.
Nah, wenn sich sogar Polizisten am Vorbereiten auf den Frühling des Menschen mittels Licht freuen, dann steht dem 3. Lichterfestival als Volksfest mit wohl mehr als 70 000 Besuchern nichts mehr im Wege.

Weitere Informationen zum Lichterfestival Murten hier

Zürich – Bernhard Schlink über sein neues Buch Olga

Dem Bielefelder Juristen und Schriftsteller gelang das, wovon viele träumen, einen internationalen Erfolg mit „Der Vorleser“. Mit der Verfilmung kennen ihn auch die Amerikaner an seinem zweiten Wohnsitz New York. Nach langer Stille ist nun sein neues Buch „Olga“ erschienen und dazu gab er ein Interview.

 
Bernhard Schlink, wie sind Sie zu diesem Stoff gekommen?
 
Bernhard Schlink: Schon immer hat mich das 19. und frühe 20. Jahrhundert beschäftigt. Ich liebe die damalige Literatur, mich macht der Untergang der Welt von damals im Ersten Weltkrieg traurig, und zugleich sehe ich immer deutlicher, wie sich in der Welt von damals das Verhängnis des 20. Jahrhunderts vorbereitet hat. Irgendwann bin ich auf einen preußischen Gefreiten gestoßen, der sich zur Schutztruppe meldete, die gegen die Herero Krieg führte, und der dabei dem Zauber der Wüste verfiel und nach seiner Rückkehr nach Deutschland die Arktis erobern wollte, die weiße Wüste. Er hat sich an größenwahnsinnigen Phantasien berauscht, aber mir war, als habe ihn eigentlich eine Sehnsucht nach dem Nichts getrieben.
Wofür steht die Figur Olga?
 
Bernhard Schlink: Olga ist eine Frau mit wachem, klugem Blick auf die Zeit, in der, und auf die Menschen, mit denen sie lebt; sie wird unter den Verlusten, die sie treffen, nicht schwächer, sondern stärker; sie begehrt auf, immer wieder leise und schließlich laut. Ihr Blick fällt besonders scharf auf die Männer, die sich in dem Abschnitt deutscher Geschichte, den sie erlebt, verirren und vermessen und versteigen – es ist ein Kassandrablick, auch wenn Olga zu bescheiden ist, eine Kassandra zu sein.
Welche Person hat für Sie in diesem Roman mehr Gewicht: Herbert, der die Welt bereist und die Arktis erobern will, oder Olga, die zu Hause bleibt und auf ihn wartet?
 
Bernhard Schlink: Während des Arbeitens am Roman hat sich mein Interesse verschoben: von Herbert, der seine Zeit repräsentiert, in ihr aber auch gefangen ist, zu Olga, die von einer herkömmlich Wartenden zu einer hellsichtigen Außenseiterin wird. Olga hat mehr und mehr Gewicht gewonnen und schließlich dem Roman ihren Namen als Titel gegeben.
 
 
Es scheint Sie erzählerisch immer wieder in eine kleine Stadt am Neckar zu ziehen. Wie kommt das? Gibt es in diesem Roman eine autobiographische Nähe zum Ich-Erzähler Ferdinand und seiner Familie?
 
Bernhard Schlink: Wenn eine Geschichte, die ich erzähle, keinen anderen Ort verlangt oder nahelegt, stellen sich als Ort die kleine Stadt am Neckar ein, in der ich aufgewachsen bin, und mit ihr die Menschen, Bilder, Atmosphären von damals. Nichts kommt im Roman einfach so vor, wie es damals war. Aber was damals war, ist Material, Anregung fürs Schreiben.
 
 

Sind Sie für diesen Roman, für seine Recherche, viel gereist?

Bernhard Schlink: Ich war in Namibia, in Deutsch Süd-West, wo Herbert gegen die Herero kämpft, und in Tromsö, von wo er in die Arktis aufbricht. Auch wenn ich dabei nichts gesehen, gehört und gelernt habe, das ich nicht auch aus dem Internet, Büchern und Filmen hätte lernen können – ich hätte den Roman ohne die Aufenthalte nicht schreiben können.

Der Roman umfasst eine große Zeitspanne deutscher Geschichte. Olgas Kritik am deutschen Größenwahn, den sie weder mit dem Kaiserreich noch mit dem Dritten Reich enden sieht, sondern noch in der Gegenwart findet – teilen Sie Olgas Sicht?

Bernhard Schlink: Es ist wie mit der autobiographischen Nähe, über die wir oben gesprochen haben. Olgas Sicht ist nicht einfach die meine. Aber was ich über die deutsche Geschichte denke, ist beim Schreiben Material, Anregung. Und so froh wir über die Brüche mit der Vergangenheit sind – ebenso wichtig sind die Kontinuitäten.

Bernhard Schlink, Olga
Roman, Hardcover Leinen, 320 Seiten
Erscheint am 12.1.2018
ISBN 978-3-257-07015-6
sFr 32.00
Auch als Hörbuch, gelesen von Burghart Klaußner
Auch als eBook und Hörbuch-Download

 

Weitere Informationen zu Bernhard Schlink  hier

Die Fotos sind alle von Alberto Venzago/ Diogenes Verlag

Zürich – Transformance – Dokumentarfilm über die Energieversorgung von Morgen – Interview mit Dr. Anton Gunziger

 

 

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Der Zeitpunkt könnte nicht besser sein. Nachdem der Okran Burglind in der Schweiz Schäden angerichtet hat und als Zeichen des Klimawandels erst der Anfang war, kommt am 11. Januar der Film „Transformance“ von Ron Maxim in die Kinos. Im Dokumentarfilm beschäftigen sich Wissenschafter, Philosophen und Unternehmer wie Dr. Anton Gunziger mit der Frage, wie die Energieversorgung aussehen muss, damit die Erde eine Zukunft hat.

 

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Anton Gunziger, was hat Sie als Dozent für Elektronik und Unternehmer bewegt bei Transformance mitzumachen?

Das Thema Energie treibt mich schon lange um, aber ich hat wenig Bezug (mit der Ausnahme, dass ich vor langer ZeitElektrotechnik an der ETH studiert habe). Als ich vor einigen Jahren gemerkt habe, dass es beim Thema Energie auch um Systemdesign geht und da ich mich mit diesem Thema ein eben lang beschäftige, sah ich plötzlich die Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten. Unsere Rechnungen zeigen, dass die Energiewende möglich ist und dass sie sich sogar rechnet. Daraus ist das Buch „Kraftwerk Schweiz“ entstanden, das sich mittlerweile in der 3. Auflage zum Standartwerk zur Energiefrage gemausert  hat und deshalb wurde ich vermutlich auch eingeladen, an diesem Film mitzumachen.

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Sie kommen aus einem Bauerndorf und lernten in Solothurn Radioelektriker.  Wann und wie merkten Sie, dass die Schweiz ein Paradies ist und wir, sollten wir den Klimawandel nicht schaffen, es nicht mehr weitergeben können?

Als ich in Indien war und die Inder, wenn sie vom „Nirwana“, vom „Paradies“ sprechen, an die Schweiz denken. Wir leben heute nicht mehr von Ertrag der Erde, sondern von der Substanz. Wir Schweizer „verbrauchen“ mit unseren Lebensstil 3 – 4 Erden. Das kann vielleicht noch 10 – 20 Jahre gut gehen. Für mein Leben ist das okay, aber ich bin Grossvater geworden und ich erachte es als meine Aufgabe dafür zu sorgen, dass unsere Enkel in der Lage sein werden die Zeche für unseren Lebensstil zu bezahlen.

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Der Orkan Burglind war das jüngste Zeichen des Klimawandels. Handeln die Politik aber auch der einfache Mann von nebenan nicht schneller auf die Zeichen der Zeit mit neuen  Energiekonzepten aus Angst vor Wohlstandsverlust?

Es geht mir persönlich zu langsam mit der Energiewende. Wir müssen handeln, wenn wir noch Geld haben. Nichts zu tun, führt langfristig zu Wohlstandsverlust; zu Handeln erhaltet unseren Wohlstand.

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Als Unternehmer fahren Sie kein Auto. Was macht IhrBetrieb Supercomputing System SCS mit 80 Ingenieuren im Zürcher Technopark intern gegen Ressourcenverschleiss und an was für Projekten sind Sie dieses Jahr dran?

Bei uns kommen alle Mitarbeitenden mit dem ÖV, dem Fahrrad oder zu Fuss. Wenn wir als Firma alte Ticketautomaten mit neuem Prozessor und neuer Software zu einem „Second-Life“ verhelfen, ist das ressourcenschonend; wenn wir eine Auswertesoftware für die  Bahn bauen, die nach tiefer Analyse Unterhaltsarbeiten  an den Geleisen vorschlägt, so spart das Ressourcen und Geld; wenn wir ein Bremsassistent für Automobile bauen, so führt das zu weniger Unfällen und damit werden Ressourcen eingespart; wenn wir ein Smart Grid bauen, das den Energieverbrauch so steuert, dass er optimal mit der  Photovoltaik abgestimmt ist, so ist das ressourceneffizient.

Als Professor an der ETH sprechen Sie sicher stundenlang mit Studenten über Energieproduktion, –verteilung und -verbrauch. Hat die jüngste Generation wirklich die Kraft für einen Wandel, da sie ja mit Bequemlichkeitenaufgewachsen  ist oder wird sie die Wirtschaftsgier auffressen?

Es ist am Ende eine Frage der Haltung: denken wir „nach uns die Sintflut“ oder „alle Menschen haben ein Anrecht ein gutes Leben zu führen“. Ich glaube, dass die Umwelt am Ende die Menschen zwingen wird, umzudenken. Es ist einfach besser, jetzt umzudenken als am Abgrund.

Im Film sagen Sie, dass wir eine langfristige Vision haben müssen für einen Energiewandel. Vorher nehmen Sie als bald Sechzigjähriger die Energie bis an Ihr Lebensende für eine intelligenter Lebensweise Mensch-Natur zu kämpfen?
Es geht nicht um uns, es geht am Ende um das Leben unserer Enkel.

 

Der Film Transformance startet am 11.1. in Zürich, Frauenfeld, Solothurn. Die Premiere für Bern ist auf den 20.2.18 angesetzt. 

Weitere Informationen zum Film Transformence hier

Die Fotos wurden von CRK Kino zur Verfügung gestellt

Goms/Zürich – Kaspar Wolfensberger über den Kriminalroman „Gommer Winter“ und das Schreiben im Goms

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Zuerst war das Goms von der Umwelt abgeschnitten nun Zermatt und das Saastal. Was geschieht eigentlich, wenn der Schnee die Wege vesperrt und die Dorfbevölkerung  tagelang eingeschlossen ist und Kriminalpolizist Walpen seine Arbeit, einen Mord aufklären, nicht nachgehen kann? Kaspar Wolfensberger geht im Kriminalroman „Gommer Winter“ dieser Frage nach.

 

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Kaspar Wolfensberger, gleich zu Jahresbeginn war das Goms von der Umwelt abgeschnitten und eine Kollegin von mir konnte nicht mal ausserhalb des Dorfes spazieren. Eine Ihnen bekannte Situation im Krimi “Gommer Winter” oder?

So ist es: Im «Gommer Winter», wo in der Vorweihnachtszeit schreckliche Morde passieren, wird das Goms – auch die Ermittler und der oder die Täter – eingeschneit, es gibt kein Wegkommen mehr aus dem tief verschneiten Tal. Die Menschen haben Angst: Angst vor den Lawinen und Angst vor weiteren Morden. Es kommt zu einem dramatischen Showdown zwischen dem Kriminalpolizisten a.D. «Kauz» Walpen und einem unheimlichen Täter im von Lawinen bedrohten und von der Aussenwelt abgeschnittenen Dorf Münster. – Ich selbst war kurz nach Neujahr auch im Goms eingeschneit – es war unheimlich schön. Gottlob blieben die «aussergewöhnlichen Todesfälle», anders als im Roman, aber aus.

 

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War nachdem Buch “Gommer Sommer” klar, dass der Winter, wo sich das Leben auf den Loipen und hinter den dicken Hausmauern abspielt, als Krimi herhalten musste?

Ja. Mir war klar, dass nach dem «Gommer Sommer» der «Gommer Winter» erscheinen musste. So schön und einladend das Goms im Sommer auch ist – so richtig lernt man dieses Oberwalliser Hochtal erst im Winter kennen. Wenn es eisig kalt wird, wenn viel Schnee fällt, wenn es guggsät und wenn danach die Sonne über der schimmernd weissen Landschaft mit seinen Langlaufloipen scheint, dann ist richtig «Gommer Winter». Wenn dann noch Lawinen drohen, wenn der Verkehr auf Strassen und Schienen eingestellt wird, dann gibt das natürlich eine ideale Kulisse für eine Kriminalstory.


Nach der Arbeit als Psychiater in Zürich und dem Essen und der Musik zugetaner Privatmann schreiben Sie Krimis, wo es brutal zu und hergeht. Warum wählten Sie diese Gattungsform und nicht die Belletristik?

Ich hoffe, es klingt nicht anmassend – aber eigentlich rechne ich meine Romane der Belletristik zu. In meinen Büchern überwiegt das Romanhafte gegenüber der Darstellung von brutalen Verbrechen. Zugegeben, sowohl im «Gommer Sommer» wie im «Gommer Winter» geschehen schreckliche Morde. Aber mir dient die Kriminalstory als Vehikel für eine spannende und unterhaltende Erzählung über das Goms und die Gommer. In meiner Arbeit als Psychiater höre ich Geschichten – banale und spannende, gewöhnliche und ganz und gar ungewöhnliche –, als Autor erfinde ich sie. Ich beschreibe Landschaften und Orte und erfinde Geschichten und Ereignisse, welche den ebenfalls erfundenen Romanfiguren in dieser Umgebung widerfahren.

 

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Schrieben Sie den “Gommer Winter” direkt während der Ferien vor Ort oder laufen Sie nur die Schauplätze ab und schreiben mit Distanz zum Ort in Zürich?

Wenn immer möglich schreibe ich in meiner Schreibstube im Goms, mit Blick auf Rotten und Galenstock. Selbstverständlich bewege ich mich so oft wie möglich durchs Goms – wandernderweise, auf Langlaufbrettern oder auf dem Bike – und lasse mich dabei von Schauplätzen, Menschen und Stimmungen inspirieren. Zuhause in Zürich redigiere ich den Text und feile vielleicht am Manuskript, aber im Wesentlichen entsteht die Geschichte am Ort der Handlung.

In der Freizeit gehen Sie mit Ihrer Frau auch gerne in die Wüste oder campen in der Wildnis, Welche Faszination hat das Goms für Sie als Weltenbummler und gibt es auch einen Geheimtipp dort, den nur Sie kennen?

Wenn ich lange genug zuhause – oder in meiner zweiten Heimat, dem Goms – bin, dann packt mich das Fernweh. Und meiner Frau geht es genauso. Wir müssen dann hinaus in die Wildnis, am allerliebsten in die Wüsten und Steppen Afrikas. Früher oder später zieht es uns zurück in die Heimat – Sie können es Heimweh nennen. Es gibt sicher Gemeinsamkeiten, erst recht natürlich Unterschiede, zwischen der unverdorbenen Kalahari und dem noch einigermassen intakten und stellenweise ziemlich wilden Oberwalliser Hochtal. Aber ich fühle mich nicht berufen, sie aufzuzählen oder zu begründen. Aber Ihre Frage ist genau richtig: von beiden Orten geht eine enorme Faszination aus, je länger man sich dort aufhält. Geheimtipp? Geheim nicht, aber Tipp schon: Wandern Sie im Sommer oder Herbst über den Gommer Höhenweg und machen Sie irgendwo einen Abstecher in ein Seitental – Sie werden ganz von selbst überraschende Entdeckungen machen. Garantiert!

 

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Das Jahr ist noch jung. Welche Projekte hat der Kaspar Wolfensberger ins Auge gefasst für die nächsten zwölf Monate?

Was das Schreiben angeht: Als Nächstes kommt der «Gommer Herbst» dran. Ein paar Stichworte seinen verraten: Es ist Jagdsaison, raten Sie mal, was da passiert. Der Wolf streunt durchs Tal…  Was das Reisen angeht: Afrika ruft, und wie!

 

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Das Buch Gommer Winter von Kaspar Wolfensberger erschien im Bilger Verlag, Informationen hier

Weitere Informationen zu Kaspar Wolfensberger hier

Zürich – VOYAGER III – PILOT #1 Eine musikalische Reise in den interstellaren Raum im KOSMOS

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Voyager III» im KOSMOS Zürich laden am 7. Januar um 17 Uhr die beiden Musiker Hank Shizzoe und Michael Flury sowie die Regisseurin Verena Regensburger zu jeder Folge einen musikalischen und einen intellektuellen Experten ein. Neben Musik und Gesprächen wird überlegt wie den eine Kontaktanzeige an Ausserirdische aussehen könnte.

Verena Regensburger, warum haben Sie für Ihre Veranstaltung im Kosmos nicht die Mondlandung, die in den Köpfen der Menschen gegenwärtiger ist, genommen und stattdessen die Sonde Voyager?
Die Mondlandung ist bekanntlich “Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit“. Doch die Mission Voyager geht in gewisser Weise noch einen Schritt weiter.
Zum einen war es 1977 gesetztes Ziel der NASA, die äußeren Planeten des Sonnensystems mit den Voyager Sonden eingehend zu erforschen, um dann in den interstellaren Raum einzutauchen. Jede Sekunde kommt Voyager somit an einen Ort, an dem wir noch nie gewesen sind und verändert dabei unsere Ansicht über die Planetenfamilie der Sonne.
Zum anderen, und das ist der ausschlaggebende Punkt für unsere Veranstaltungsreihe VOYAGER III, befinden sich an Bord der Raumkapseln zwei identische, mit einer Goldschicht überzogenen, Bild-Ton-Platten: die Golden Records — beigefügt als Botschaft an mögliche außerirdische Zivilisationen und auch an uns Menschen selbst. Die Schallplatte ist den „(…) Musikmachern — in allen Welten, zu allen Zeiten“ gewidmet. Wir wollen uns mit der Selektion der Golden Records auseinandersetzen und kreieren unser persönliches Update.
Voyager transportiere das Vermächtnis der Menschheit. Was muss man sich darunter vorstellen? War das eine Reaktion auf einen möglichen Nuklearkrieg und hat nicht das Internet dieses Vermächtnis im All überholt?
Die Golden Record möchte uns Menschen und den Planeten Erde vorstellen. Eine Kleingruppe um Carl Sagan diskutierte drei Monate lang, welche Inhalte aus dem Bereichen der Natur und Kultur in Form von Bild- und Tondokumenten ihren Platz auf der begrenzten Laufzeit der Schallplatte finden sollten. Die Auswahl umfasst 118 Fotos, etwa 90 Minuten Musik, ein Audio-Essay über Die Geräusche der Erde und Grüße in fast 60 Sprachen und einem Walgesang sowie Grußbotschaften Jimmy Carters, Präsident der Vereinigten Staaten und Kurt Waldheims, des Generalsekretärs der Vereinten Nationen.
Von Beginn an wurde sich für eine reiche Sammlung an Musik entschieden. Denn neben Informationen über unser Leben auf der Erde, unsere Wahrnehmung und unser Denken versprach sich Sagan über die Musik u.a. das Gefühlsleben der Menschen zu vermitteln. Daraus wurde ein Unikum, das eine Bachkomposition stimmig mit dem Gesang eines peruanischen Mädchens verbindet, und Blind Willie Johnson mit Beethoven.
Ob die Voyager mit dem ´Vermächtnis der Menschheit´ eine Reaktion auf einen möglichen Nuklearkrieg gewesen ist? Nein, vielmehr wurde hier die Chance ergriffen, dass in etwa 4 Billionen Jahren, wenn unsere Sonne sich in einen Roten Riesen verwandelt hat, die beiden Sonden immer noch zwischen den Sternen unterwegs sein werden und somit nicht nur uns überleben, sondern auch unseren Stern.
Das Internet steckt wahrscheinlich noch in den Kinderschuhen. Doch wie lange hat es überhaupt Bestand, wenn man in Dimensionen von Billionen Jahren denkt? Auch heute ist das Internet keine würdige Alternative zur Golden Record Platte. Es ist in gewisser Form der Messie unter den Sammlern. Hier findet man scheinbar alles und jeden. Die Herausforderung und Besonderheit der Golden Recordist schließlich, eine repräsentative Auswahl zu treffen — sich zu entscheiden. Eine Definition der Menschheit und der Erde in einem präzisem Spektrum aus Bild- und Toninhalten zu kreieren, stellt eine Auseinandersetzung dar, die im Gegensatz zur Masse und vermeintlichen Vollständigkeit des Internets einen beachtlichen Mehrwert darbietet. Die nicht zu vermeidende Subjektivität und auch der Zufallscharakter, welche die Zusammenstellung der Inhalte prägen, sind zutiefst menschliche Züge und bilden eine Qualität, die zu einem Teil der Botschaft wird.
Neben den Musiker Hank Shizzoe und Michael Flury (zweites Bild), die den Abend musikalisch untermalen, kommt ja noch ein Experte in die Runde. Können Sie schon etwas über ihn und seine Funktion in der Aufführung verraten?

Genau wie Carl Sagen stellen auch Hank Shizzoe, Michael Flury und ich uns für unser persönliches Update ein Team zusammen. VOYAGER III ist eine Veranstaltungsreihe und somit ein langfristiges Projekt. Dabei beschäftigen wir uns mit ganz grundlegende Fragen: Wer sind wir? Wie leben wir? Was tun wir? Diese Fragen möchten wir sowohl in musikalischer Form für uns beantworten, als auch aus einer wissenschaftlichen Perspektive beleuchten.
Zu jeder Folge laden wir zwei weitere Experten ihres Fachs ein. Am kommenden Sonntag werden wir bei unserem „Pilot 1“ mit Vera Kappeler, Pianistin und Harmoniumspielerin sowie Peter Fux, Archäologe und Kurator der Altamerika-Abteilung des Museums Rietberg, darüber diskutieren, ob man für ein Update zusätzliches Material auf die Golden Record spielen müsste und dabei mögliche Musik-, Geräusch- und Bildinhalten für unsere Neuauflage generieren. Was die richtige Auswahl ist, darauf gibt es womöglich ebensoviele Antworten wie es Menschen gibt — so wird es spannend, eine Schnittmenge auszumachen.
Weitere Informationen zu Voyager 3 hier