Bei einem Sturm zu den Schauplätzen ihres Kriminalromans „Venner“ im Schlosshof und der Altstadt Sargans erklärten die beiden Autoren Franziska Hidber und Christian Ruch, warum der Auslandschweizer Reto Anrig Opfer eines Verbrechens am Nordkap wird und was das Sarganserland damit zu tun hat.
Venner spielt neben dem Sarganserland auch am Nordkap. Warum diese Gegenden?
Mir gefiel die Idee, meine Heimat mit dem Norden zu verknüpfen, wo ich als Nordland-Reporterin regelmässig unterwegs bin. Die Reise ans Nordkap ist ein Lebenstraum – im Gegensatz dazu sind die Trouvaillen des Sarganserlands vielen unbekannt. Dieser Kontrast faszinierte mich. Dazu kommt: Der Streit um das wahre Nordkap sowie die Anekdoten über die Bevölkerung, die ich von drei Reportagen kannte, boten hervorragenden Stoff für eine Story. Gleichzeitig konnte ich meiner Heimat eine Bühne bereiten. Ich hätte mir auch eine andere Gegend im Norden vorstellen können, zum Beispiel die Shetland Inseln. Mein Co-Autor Christian Ruch aber geht schon fast als Norweger durch, und damit war der Kessel geflickt.
Der Stil nicht immer gleich im Buch. Hat das damit zu tun, dass Sie mit Christian Ruch zusammenarbeiteten oder wie muss man sich diese Zusammenarbeit vorstellen?
Witzigerweise schreiben uns viele Leute, dass sie keine Brüche im Schreibstil wahrnehmen. Wir haben je aus der Perspektive der beiden Hauptfiguren erzählt, und der liebenswürdige, leicht tollpatschige Dorfpolizist Einar aus Honningsvåg denkt nun mal anders als Selina, die angehende Meeresbiologin. Das schlägt sich auch in der Sprache nieder. Wir haben den Plot gemeinsam definiert und dann aufgeteilt in die beiden Erzählstränge, geschrieben haben wir recht unabhängig. Hilfreich war die Timeline, in der wir grob skizzierten, was bei wem in welchem Kapitel geschieht und wo die Berührungspunkte liegen. Natürlich mussten wir immer wieder Passagen anpassen oder neu abstimmen, damit die Abläufe logisch blieben.
Ich oute mich hiermit als exzessive Krimileserin – und ja, für mich war immer klar: Falls ich je ein Buch schreiben werde, dann einen Krimi. Wäre es nach Herrn Ruch gegangen, hätten wir wohl eher eine Lovestory hervorgebracht. Der Nordenspezialist Kontiki Reisen hat unser aussergewöhnliches Krimiprojekt zu meiner Freude von Anfang an unterstützt – übrigens ohne Auflagen. Dass Kontiki im Krimi erwähnt wird, war eine spontane Idee von mir und hat sich beim Thema Nachhaltigkeit im Tourismus angeboten.
Bei einem Roman ist man in den Charakteren drin beim Schreiben, man fühlt sie. Trotzdem hatte ich auch das Gefühl Ihre persönliche Meinung drückt durch. Sind Sie eine Person , die gerne ihre Meinung sagt oder spielt im Hintergrund schon der Gedanke ein Drehbuch zu schreiben, wo man eher von aussen die Charaktere beschreibt?
Das ist interessant. Ich erzähle eine fiktive Geschichte aus der Perspektive einer fiktiven Person, meine persönliche Meinung spielt in diesem Krimi keine Rolle. Im Gegensatz zu meinem Co-Autor, der das „wirkliche Norwegen“ fernab von herzigen Trollen und Elfen zeigen wollte, hatte ich keine Mission. Nach dem ersten Lesen meinte unser Lektor, er sehe bei diesem Manuskript den Film schon vor sich, manche Szenen seien drehbuchreif. Auch bei anderen Feedbacks auf Texte, die ich beruflich schreibe, fällt immer wieder das Wort „Drehbuch“. Möglicherweise habe ich einfach zu oft „Tatort“ geschaut. Doch das Drehbuchschreiben überlasse ich gerne den Profis – seit einer Weiterbildung weiss ich, wie anspruchsvoll das ist.
Norwegen ist nicht in der EU wie die Schweiz und hat weniger Einwohner als wir.. Trotzdem spielen viele Krimis im Norden und auch der Schweizer Reto Anrig muss dort sterben. Ist es die Schwermut des langen Winters oder Rassismus, die das Böse im Menschen weckt?
Die Kriminalitätsrate in Norwegen ist ausgesprochen tief. Auf meinen zahllosen Reisen habe ich ausnahmslos freundliche, hilfsbereite Menschen kennengelernt mit einem trockenen Humor, der seinesgleichen sucht. Natürlich schlägt es aufs Gemüt, wenn ganz oben im Norden die Sonne zwei Monate lang nicht über den Horizont kommt. Dafür flackern nachts Nordlichter am Himmel. Die dünne Besiedelung, die langen Winternächte, die archaische Landschaft mit einsam stehenden Höfen sind prädestiniert für ein Krimi-Setting. Man darf hier die Fiktion nicht mit der Realität mischen. In Wallanders Ystad etwa ist – anders als in Mankells Krimis – noch kaum je ein Verbrechen geschehen.
Wir machten in Sargans, wo Sie aufwuchsen Fotos von den Schauplätzen des Buches. Was macht Franziska Hidber in der Freizeit hier, wenn Sie nicht schreibt für Zeitungen und Bücher?
Ich treffe Familie und Freunde, bin im Klassentreffen-OK meines Jahrgangs, schaue wie früher vom Schloss aufs Städtli hinunter, mache ein Märschli zum Erzbild, höre an der Fasnacht den „Nörgelern“ und „Vancansern“ zu, fahre Ski auf dem Pizol und wandere im nächsten Sommer hoffentlich endlich wieder einmal auf den Gonzen. Ich bringe es nicht übers Herz, bei der Anreise am Walensee vorbeizufahren; egal, wie schmal das Zeitbudget ist: In Murg muss ich anhalten und kurz ans Wasser gehen – im Winter noch lieber als im Sommer.