Ahnte Vater Giovanni Giacometti das Schicksal seiner einzigen Tochter Ottilia voraus und malte deshalb jede Station ihres kurzen Lebens? Das Kunsthaus Zürich zeigt bis 3. Mai „Ottilia – ein Porträt“ und wie sie der Vater und ihr Bruder Alberto sahen.
Was machen heute Kinder in Stampa im Bergell neben Skifahren im langen Winter? Wohl Selfies.
Anfang des 20. Jahrhunderts am 31. Mai 1904 kam Ottilia als drittes Kind von Giovanni Giacometti zu Welt und wurde schnell zum Liebling des Vaters, der neben dem Lesen eine Leidenschaft pflegte, seine Tochter zu beobachten. Er oder sein Augen waren vortan die Kamera, die das weibliche Geschöpf bestaunte, ins rechte Licht rückte und Zeugnis ihrer Entwicklung durch das Malen ablegte.
Zwar wurde dem Vater schnell klar, dass nur der drei Jahre jüngere Sohn Alberto seine künstlerische Gene geerbt hatte und zum Weltstar im Laufe des Lebens aufstieg, doch es muss die Aura gewesen sein, die Ottilia ausgestrahlt hat, damit sie, wie die Ausstellung zeigt, so oft stundenlang still da sass, damit sie der Vater und später auch Alberto malen oder in Stein hauen konnte.
Man sagte ja , dass Modell und Maler im Laufe des Entstehungsprozesses sich geistig verbinden und irgendwie war die Tochter Vater Beziehung auch so eine. Als am 10. Oktober 1937 Giovanni starb, ging es auch mit der Gesundheit Ottilia, mittlerweile mit einem Genfer Arzt Francis Berthoud verheiratet, etwas bergab. Deieinhalb Jahre später, in der Nacht nach der Geburt am 10. Oktober verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand rapide und sie verstarb am Morgen am Geburtstag ihres Bruder Alberto und schenkte ihm und der Giacomettidynastie als „Geschenk“ Silvio, das Neugeborene Mitglied.
Die kleine Ausstellung im Kunsthaus Zürich zeigt bis zum Todesbett alle Stationen im Leben von Ottilia und neben den Kunstwerken gibt es auch noch zwei bisher unveröffentlichte Filme über das Leben der Familie Giacometti.
Weitere Informationen zur Ausstellung hier
Bildlegenden:
1
Giovanni Giacometti, Pensierosa, 1913 Öl auf Leinwand, 65 x 60 cm Privatbesitz
2
Giovanni Giacometti, La madre, 1905 Öl auf Eternit, 50 x 55 cm Bündner Kunstmuseum Chur, Schenkung Anni Mettler-Bener, St. Gallen
3
Unbekannter Fotograf, Alberto und Ottilia Giacometti in den Wäldern von Stampa, um 1923/24 Privatbesitz
4
Alberto Giacometti, Tête d‘Ottilia, um 1925 Mit Trennmittel überzogener Gips mit Spuren alter Polychromie, 38 x 21,5 x 16,6 cm Fondation Giacometti, Paris, © Succession Alberto Giacometti / 2020, ProLitteris, Zurich
5
Alberto Giacometti, Ottilia, um 1935 Öl auf Leinwand, 46 x 40 cm Privatbesitz, © Succession Alberto Giacometti / 2020, ProLitteris, Zurich