Obwohl der Modedesigner Yorn als junger Mann vom Fleck weg als Assistent von Christian Dior engagiert wurde, ein Modelabel an der Champs-Elysées gründete und den Pariser Chic nach Deutschland brachte, ist sein Buch „Gast im Glück“ keines über Mode sondern voll Erinnerungen an glückliche Szenen aus seinem Leben. Warum dies so ist, erklärt er im Interview.
Ihr Buch trägt den Titel Gast im Glück. Können Sie beschreiben, was Glück für Sie bedeutet?
YORN: Ein Spaziergang mit meinem Hund in den Hügeln der Provence. Eine Klettertour in den Gorges du Verdon. Ein Espresso mit Freunden im Caffè Greco in Rom. Die Kinderszenen von Robert Schumann. Das Finale aus dem Rosenkavalier mit Elisabeth Schwarzkopf, Christa Ludwig und Herbert von Karajan. Das alles ist für mich Glück auf Erden.
Wann kam Ihnen die Idee zu diesem Buch?
YORN: Es ist an der Zeit für mich, danke zu sagen. Danke für alle geschenkten Augenblicke. Danke an Paris. Danke an all die Menschen, die mir geholfen haben, dort zu sein, wo ich heute bin: Angekommen.
Wann und wo schreiben Sie am liebsten?
YORN: Meine Gedanken zu diesem Buch habe ich seit langem auf fliegenden Blättern festgehalten. Sie verfolgten mich Tag und Nacht. Überall klebten die gelben Zettel. Ich fühlte mich umgeben von den Meilensteinen meines Lebens. Da ich kein Computerfan bin, habe ich das Buch von Hand geschrieben und hatte dabei selber einen Heidenspaß, die wie Skizzen hingeworfenen Notizen in passende Worte zu fassen. Ein großer Korbsessel unter der Platane in meinem Garten in der Provence war der ideale Platz, mich an all die glücklichen Momente zu erinnern. Vielleicht hat dabei auch der Rosé dazu beigetragen.
YORN: Wir sind seit Jahren befreundet. Und als ich Jean-Jacques in der Provence vom Gast im Glück erzählte und ihm daraus einige amüsante Szenen, wie zum Beispiel meine erste Reise nach Paris in Begleitung einer Giraffe, präsentierte, schlug er mir sofort vor, den Gast im Glück zu illustrieren. Es war für mich wie ein Geschenk des Himmels, denn seine rührenden Zeichnungen sind für mich und den Leser eine Inszenierung meiner Erzählungen. Merci, Jean-Jacques!
Mode, so schreiben Sie, sei immer auch Ausdruck ihrer Zeit. Wenn Sie zurückblicken, wo liegen für Sie die größten Unterschiede zwischen der heutigen Mode und der Mode Ihrer Anfangszeit in den 50er und 60er Jahren?
YORN: Drei große Revolutionen haben die Modewelt in den letzten sechzig Jahren grundlegend verändert: Technik, Unisex, Jeans.
Ganz allgemein: Worin unterscheidet sich die französische von der deutschen Mode?
YORN: Es ist schwierig, zwei starke Persönlichkeiten miteinander zu vergleichen. Die französische Mode ist Trendsetter der internationalen Mode. Sie ist wagemutig, manchmal respektlos, extravagant, voller Phantasie, kreativ, herausfordernd, sexy, schockierend, geistreich und witzig, hat Charme, aber auch eine gesunde Portion Selbstironie. Sie ist launenhaft und hat absolute Starallüren. Stets erwartet man von ihr, aufs Neue überrascht zu werden.
Sie waren gerade einmal 27 Jahre alt, als Sie Ihr eigenes Haute-Couture-Haus in Paris eröffneten. Ein mutiger Schritt, gerade im Hinblick auf das finanzielle Risiko, das Sie trugen. Würden Sie sich das heute noch einmal trauen? Sollten wir überhaupt mutiger sein?
YORN: Die Zeiten waren rosig. Das Motto »Alles ist möglich, du musst es nur wollen!« half uns damals, Berge zu versetzen. Der Enthusiasmus einer zielstrebigen und wagemutigen Jugend wurde kräftig unterstützt, ohne dass, wie heute, sofort eine hohe Rendite erwartet wurde. Draufgängerisch, manchmal vielleicht etwas leichtsinnig, da ich keine »Angst vor dem Morgen« kannte, blickte ich in diese rosige Zukunft und wagte den großen Sprung. Ich hatte das Glück, dass gleich mein erster Versuch erfolgreich war.
Neben der couture spielt auch die cuisine eine wichtige Rolle in Ihrem Leben, dem Buch sind sogar einige Ihrer Lieblingsrezepte beigefügt. Wieso ist Ihnen die Kulinarik so wichtig?
»Die Mode vergeht – die Küche besteht« – Ähnliches sagt man auch über das Schreiben selbst (»Wer schreibt, der bleibt«). War das auch einer der Gründe für dieses Buch, wollten Sie etwas Bleibendes schaffen?
YORN: Mit diesem Buch hatte ich niemals auch nur die geringste Absicht, mir ein Denkmal zu setzen. Wenn ich etwas Bleibendes schaffen möchte, dann pflanze ich Bäume.
Sie haben einen Großteil Ihres Lebens in Paris verbracht mit seinen schicken Modehäusern und Restaurants. Trotzdem schildern Sie in Gast im Glück sehr glaubhaft Ihre Vorstellung von einem einfachen und bescheidenen Leben. Welche Rolle spielt hierbei ihre hanseatische Herkunft? Und welchen Stellenwert hat für Sie der Ruhm?
YORN: Die größte Tragik für einen erfolgreichen Couturier ist die Gefahr der Selbstverherrlichung. Viele Künstler sind inmitten ihrer Karriere an diesem Übel zerbrochen. Unterstützt von schmeichlerischen Komplimenten falscher Freunde, verliert man schnell jede natürliche Beziehung zur Realität und lebt abgeschottet in einer Scheinwelt, in der es keinen Platz mehr für ein einfaches glückliches Leben gibt. Einsam vegetiert man umgeben von einem schillernden Hof voller scheinheiliger Anbeter. Man stellt sich nicht mehr in Frage, duldet keinerlei Kritik und hat jegliche lebenswichtige Selbstironie aus seinem Leben verbannt.