Melchior Roth, Bürger aus Signau im Emmental, nennt sich nicht James Bond, sondern einen unabhängigen Militärberater, der vom Bützberg aus über Jahrzehnte in die Staaten mit zweifelhaftem Ruf wie DDR, Russland, Nordkorea, Ex-Jugoslawien reiste und der Schweizer Regierung und Berner Polizei Rapport lieferte. Der NZZ-Journalist Andreas Schmid hat den komischen Kauz getroffen und nun das Buch „Codename Jonathan – ein Schweizer Spion im Kalten Krieg “ veröffentlicht.
In Bern kennt man das Gebäude für die innere Sicherheit mit Mitarbeitern, die in der Zigarettenpause draussen das Fussvolk sehr misstrauisch anschauen. Aber ein Spion, das gibt es nur im 007 Film, dachte ich. Was faszinierte Sie an Melchior Roth aus dem Emmental, dem Schweizer Spion im Kalten Krieg und wie verschafften Sie sich Zugang zu ihm?
Vor über 16 Jahren lernte ich Melchior Roth im Zusammenhang mit einer Recherche über Geschäfte von Schweizer Händlern in Angola kennen. In den folgenden Jahren hatte ich sporadisch immer wieder Kontakt mit ihm, und er erzählte Geschichten, die ebenso spannend wie unglaublich waren. Jeweils erst wenn er Bilder und Dokumente zeigte, wurde klar, dass seine Erlebnisse real waren und nicht einer Fantasie entsprangen.
Melchior Roth hatte einen starken Willen, war bauernschlau und sah seine Chance in der Angst des Bundes, Berner Polizei vor dem Feind hinter Grenze, damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Gab es noch andere Gründe, die ihn zum Spion in der DDR, Chile, Russland etc. werden liessen?
Vor allem war es seine Leidenschaft für alles Militärische, die ihn schon als Jugendlicher begleitete. Fast fanatisch nutzte er jede Möglichkeit, in diese Welt einzutauchen. Er nutzte jede Möglichkeit, an den Brennpunkten dabei zu sein. Den Zugang erhielt er über verschiedenste Organisationen: die Armee, die Polizei, das Katastrophenhilfekorps, die Uno oder die Kfor im Jugoslawienkrieg.
Nachdem Lesen Ihres Buches “Codename Jonathan” und den Bildern erinnerte ich mich und sicher viele Leser an den Mann in Uniform mit dem kalten Blick in der Berner Oeffentlichkeit. Doch was bleibt, nun da er alt ist, von seiner Spionage ausser : Beruflich erfolgreich, privat gescheitert?
Melchior Roth zehrt von seinen Erlebnissen, er lebt von den Anekdoten und Geschichten, die er erzählen kann. Er interessierte sich stets für diese Geschehnisse und arbeitete dafür; ein Privatleben kannte er nur am Rand, das vor allem erschwerte wohl Beziehungen und Kontakte zu Freunden.
Melchior Roth gab es nur einmal als komischer Kauz. Gibt es den auch heute Spione oder lauschen da Computerspezialisten beim Bund andere Staaten aus?
Was Melchior Roth an Informationen zusammentrug, ist heute mehrheitlich im Internet zu finden. Welche Farbe Taxis in Sri Lanka haben, wo sich Militärstützpunkte in Russland befinden oder wie weit der technische Fortschritt in Nordkorea gediehen ist, können alle vom Bürotisch aus erfahren, die es wissen wollen. Spione sind aber weiter unterwegs, wenn es persönliche Beziehungen braucht, um Informationen zu erhalten oder wenn es darum geht, geheimes Wissen auszutauschen und Deals mit wichtigen Nachrichten zu tätigen.
Andreas Schmid, Sie haben einige Zeit Ihres Lebens mit dem Spion und Waffennarr Roth verbracht, was nehmen Sie persönlich aus der Ganzen Geschichte mit?
Es war eine interessante Erfahrung, aus ganz kleinen, ungeordneten Puzzleteilen ein Ganzes zusammenzusetzen, darüber kleine Geschichten zu erzählen und diese zusammenzufügen. Zudem gab es immer wieder Erfolgserlebnisse, wenn ich etwas fand in der riesigen, ungeordneten und überall verstreuten Sammlung von Melchior Roth. Oft war es eine nervenaufreibende und aufwändige Arbeit, das schön gestaltete Buch entschädigt aber dafür.
Das Buch erschien bei NZZ Libro. Weitere Informationen hier
Die Fotos wurden zur Verfügung gestellt