
Das Leben des 40-jährigen Gian Marco Schmid hatte Schattenseiten, vor und nach seiner Zeit als Gimma und dem Hit „i gega d`Schwiiz“. Als Autor, Werber und Musiker reflektiert er im Bündner Dialekt in «Z’Buach vum #Scheitera» wie es dazu kam und was jedermann aus seinen Auf und Abs lernen kann. Die Buchtaufe findet am 21. Januar in der Postremise Chur statt.
Ein Musiker sagte mir kürzlich, die momentane Coronasituation habe was Entzeitliches für die Gesellschaft. Ein Jahr zuvor waren Sie an einem Tiefpunkt in Ihrem Leben und begannen am «Z’Buach vum #Scheitera» zu schreiben. Was war geschehen?
Wie im Vorwort des Buches beschrieben: ich habe ein persönlich sehr wichtiges Projekt verloren in der Zeit, als auch meine Grossmutter starb. Das tönt jetzt erstmal noch übersichtlich. Wenn ich aber ergänze, dass es um ein ungeahntes Riesenbudget ging und meine Grossmutter für mich der wichtigste Mensch auf Erden war, ist es eventuell nachvollziehbarer, dass ich es als «ultimativen Tiefpunkt» bezeichnet habe. Die grösstmögliche berufliche Pleite in meinem Kopf traf auf die grösste Niederlage im Herz. Also schrieb ich das Buch. Dann kam die Pandemie.

Ihr Leben hatte Schattenseiten, Sie waren auch in einer psychiatrischen Klinik. 2006 waren Sie als Gimma mit “i gega d`Schwiiz” erfolgreich als Rapper. Durch das Schreiben reflektieren Sie heute mehr. Wie erleben Sie heute als 40-jähriger Mann das Scheitern im Gegensatz zu früher?
Ich glaube da ist der reflektierende Automatismus inzwischen etwas zu ausgebildet. Zum einen versuche ich in einer anderen Geisteshaltung zu operieren und andererseits versuche ich mich anders an den Herausforderungen zu orientieren. Früher war da dieser niederschwellige Unmut, wenn etwas nicht geklappt hat. Aber das hat Unmengen an Energie ausgelöst, die ich heute niemals wieder aufbringen könnte, nur um mir selber etwas entgegen meiner Unsicherheit zu beweisen.
Chur spielt eine wichtige Rolle in Ihrem Leben. Im Gegensatz zu den konservativen Bündnern hatte Sie nie Angst vor dem Neuen und warfen sich ins Leben, fielen manchmal auf den Kopf. Ist die Reibfläche Provinz immer noch ein Motor, dagegen zu rebellieren und kreativ zu sein?
Oh das ist eine spannende Frage und ich bin sehr froh dass sie endlich jemand stellt. Denn: Nein – es ist nicht mehr okay in der Provinz. Leider nein. Tatsächlich musste ich mich in den letzten Jahren und nach der beruflichen Rückkehr nach Chur sehr wundern. Ich musste furchtbar provinzielle Charaktere erleben beruflich, klassische. Je weiter oben ich ankam, desto komplexer wurden die Psychen. Die Machos, die Sexisten, die Fremdenfeindlichen. Alles Männer notabene, um es gleich zu klarifizieren. Kaum aushaltbar in der Wirtschaft und im Tourimus. Gleichzeitig hat die Politik mir bewiesen, dass wir diesen Kanton mental nicht so einfach verändern werden, wie ich vor 20 Jahren noch dachte. Und zwar wegen der Politik selbst, regional. Fälle wie Adam Quadroni oder auch was mir jüngst widerfahren ist, haben in mir zudem sehr grosse Zweifel an Behörden und auch Polizei aufkommen lassen. Da hat es einfach ein paar ganz schwierige Clubs und Seilschaften. Wenn ich all das kumuliere, muss ich klar festhalten: es ist beruflich und privat Zeit zu gehen. Wir werden gehen. Zuerst weg aus Chur, dann aus Graubünden. 20 Jahre meiner Zeit sind jetzt erstmal genug Investition in die hiesige Kultur.
Das Buch ist wieder ein Versuch sich erklären zu müssen , aber auch ein Ratgeber für alle. Ist das ein Zeichen für die Zukunft, vermehrt Allgemeingültiges zu machen?
Ehrlich gesagt war das wirklich einer der Gedanken hinter «Scheitera»: etwas für alle. Aber wir wissen ja, dass solche Türöffner bei mir selten sind. Im Juli erschien ein Mixtape namens «Iar huara Scheiss Rassischta»… das war schon wieder etwas deutlicher. Und das einzige Buch, welches ich noch in Mundart auf Halde habe, ist auch alles andere als Leichtkost. Dort wird’s dokumentarisch und pronografisch.
Und zum Schluss die übliche Frage, was macht der Gian Marco Schmid in der Freizeit in Chur?
Viel durch die Natur laufen, in letzter Zeit auch bewusst wieder kleine Lokale besuchen und wer zur Zeit die besten Chancen haben will, mit mir einen Tratsch abzuhalten, muss wohl in die Obere Au morgens und ein paar Längen im Schwimmbad ziehen.
Das Buch «Z’Buach vum #Scheitera» erschien bei Markenkern AGWeitere Informationen hier
Die Fotos wurden zur Verfügung gestellt. Copyright Livia Mauerhofer