Zürich – Lukas Hartmann über die Wege des Malers Louis Soutter


Am 4. Juni jährt sich der 150. Geburtstag des Schweizer Künstlers Louis Soutter, der zeitlebens ein Aussenseiter in der Kunstwelt und in der Gesellschaft war, aufgrund seines exzentrischen Lebensstils in ein Heim im Schweizer Jura eingewiesen wurde. Zunächst hielt noch sein berühmter Cousin Le Corbusier zu ihm. Lukas Hartmann gibt in „Schattentanz – die Wege des Louis Soutter“  Einblicke in die getriebene Seele des über die Schweizer Landesgrenzen hinaus bekannten Soutter

  • Wann ist Ihnen Louis Soutter zum ersten Mal begegnet?
  • Lukas Hartmann: Ich habe, beinahe zufällig, 2002 eine Ausstellung mit seinen Werken im Kunstmuseum Basel besucht. Kaum je war ich vom ersten Moment an so beeindruckt, nein gebannt von einem Künstler wie damals. Seither haben mich vor allem Soutters Fingermalereien nie mehr losgelassen. In ihrer Vieldeutigkeit entdecke ich bei jedem genauen Hinschauen etwas Neues, oft Bestürzendes und tief Menschliches.  
  • Wann wussten Sie, dass Sie über ihn schreiben wollen?  

  • Lukas Hartmann: Das dauerte lange. Ich las, was es über ihn gab, machte mir Notizen zum biographischen Material, das ich zusammentrug, auch dank dem Musée de l’Art Brut in Lausanne, wo Soutter lange einen Platz hatte. 
  • Er war ja zu Lebzeiten am Rande der Gesellschaft, völlig unbekannt in der Kunstwelt.  
    Sein berühmter Cousin, der Architekt Le Corbusier, war einer der wenigen, die sich für ihn eingesetzt haben.
  •  Lukas Hartmann: Es gab noch andere, die ihn zu seinen Lebzeiten anerkannten, René Auberjonois war einer von ihnen. Aber Le Corbusier war unstreitig der Wichtigste. Ich denke, ihn zog genau das an, was er bei sich selbst vermisste: das Imaginitive, das Ungeplante, die Kraft der inneren Bilder. Was sie auseinanderbrachte, war die Politik, die Haltung zum Faschismus. Soutter lehnte Mussolini vehement ab; Le Corbusier war fasziniert von den neuen Möglichkeiten, die sich ihm boten, von der Sprache, den Gebärden der Macht. Außerdem lehnte er Soutters Fingermalerei vehement ab. 

 Heute erzielen Soutters Werke hohe Auktionsergebnisse. War die Welt damals noch nicht reif für dessen Kunst?  


Lukas Hartmann: Ja, Soutter ist den Weg eines singulären Expressionisten gegangen. Er hatte keine Vorbilder, verließ sich allein auf seine innere Welt. Seine Bilder verängstigten das zeitgenössische Publikum – es wollte lange nichts von ihm wissen.

  Ein Paradox: Je kleiner Soutters Lebenskreis, um so radikaler und freier seine Kunst. Was bedeutet Freiheit für einen Künstler?  

Lukas Hartmann:  Sie kann ihn einschränken, durch Uferlosigkeit erschrecken. Bei Soutter hat sie aber den Horizont weit geöffnet, seine Imagination beflügelt – und ihm die Fähigkeit verliehen, im Blick nach außen eine beinahe seherische Gabe zu entwickeln. 

  • Auch Ihr letzter Roman Der Sänger war ein Künstlerroman, ein tragisches Künstlerschicksal. Hängen die beiden Bücher zusammen?  
  • Lukas Hartmann: Ich denke schon. Beim Sänger zwingen die politischen Ereignisse den Sänger Joseph Schmidt zur Emigration – er muss sich der Wirklichkeit stellen, die er lange auszublenden versuchte. Und bei Louis Soutter hilft der radikale Rückzug nicht dagegen, dass ihn die Außenwelt trotzdem bedrängt und er sie in visionären Totentanzmotiven darstellen muss. 

Das Buch Lukas Hartmann Schattentanz. Die Wege des Louis Soutter 

 erschien im Diogenes Verlag. Weitere Informationen hier

Fotos copyright Vanessa Lages Alves wurden zur Verfügung gestellt 

Werbung

Gryon – „Das Licht in dir ist Dunkelheit – der Waadtländer „Millenium“ Krimi von Marc Voltenauer




Die Welt gerät im abgeschiedenen Bergdorf aus den Fugen als ein Toter grausam zugerichtet wie Jesus am Kreuz in der Kirche gefunden wird und dies der Auftakt ist zu einer blutigen Serie. Kann der Kommissar aus Lausanne dem kaltblütigen Täter, der sich als Instrument Gottes sieht, das Handwerk legen? Endlich erscheint der Bestseller aus der Romandie “ Das Licht in dir ist Dunkelheit“ in der zweiten Muttersprache des Autors Marc Voltenauer auf Deutsch am 18. März.

Warum wählten Sie Gryon oberhalb Aigle, das Sie seit Ihrer Kindheit kennen und nun da leben, als Schauplatz Ihres Krimis? Wie hat die kleine konservative Gemeinde auf einen Mord in der Kirche reagiert?
Eigentlich ist es mein Partner Benjamin, der in Gryon aufgewachsen ist. Ich kenne Gryon seid wir uns kennengelernt haben, vor etwa 15 Jahren. 2011, waren wir auf einer spannenden Weltreise. Ich war schon ein grosser Krimileser, aber während dieser Zeit habe ich umso mehr Bücher gelesen. Ich fand es faszinierend, eine Geschichte von Grund auf zu erfinden und zu erzählen. Spannung erzeugen. Das Interesse des Lesers wach zu halten. Ich dachte dann : «es muss spannend sein ein Krimi zu schreiben». Ich bewunderte all den Autoren, die ich las, aber ich fühlte mich nicht wirklich in der Lage, mich auf ein solches Abenteuer einzulassen.

Einen Kriminalroman zu schreiben, war also nicht ein durchdachtes und ausgereiftes Projekt. Ohne dass ich sie wirklich realisiert habe, hat sich die Idee irgendwie durchgesetzt.

Nach unserer Rückkehr von der Reise blieben wir ein paar Monate in Gryon bei meinen Schwiegereltern. Die Idee kam mir ganz natürlich. Gryon war der perfekte Schauplatz für einen Krimi: die einzigartige Atmosphäre eines kleinen malerischen Dorfes, das Savoir-vivre der Berge, die warme Atmosphäre der Chalets, die verschiedenen öffentlichen Plätze, das Dorfleben, die beeindruckende Aufteilung der umliegenden Massive, die rauen Winter.

Gryon schien mir also das perfekte Setting für einen kaltblütigen Mörder zu sein.


Sie stehen um fünf Uhr morgens auf, schreiben. Ist das Bergdorf so langweilig oder woher kam als ehemaliger Bankler die Faszination für Krimis?

Gryon’s Dorf und das Leben in den Bergen ist überhaupt nicht langweilig. Ich fühle mich dort gut. Mit der Zeit neige ich dazu, aus den Städten zu fliehen. Meine Faszination für Krimis geht auf meine Teenagerzeit zurück, als ich mit Agatha Christie anfing, und dann wandte ich mich sehr schnell den nordischen Thrillern zu, dank meiner Mutter, die eine große Leserin ist. Aber ich mag auch Krimifilme und Serien.

Dass ich morgens um 5 Uhr aufgestanden bin, hing zunächst damit zusammen, dass ich noch in einer Firma arbeitete. Das frühe Aufstehen ermöglichte es mir, 1-2 Stunden vor der Arbeit zu schreiben. Es war eine frustrierende Erfahrung, weil ich Schwierigkeiten hatte, das Schreiben loszulassen… Heute, wenn ich mich zu 100 Prozent dem Schreiben widmen kann, stehe ich immer noch gegen 5 Uhr morgens auf, weil das meine liebste Tageszeit zum Schreiben ist.



 “Das Licht im dir ist Dunkelheit” ist nicht nur Krimi auch Thriller nämlich wie die “Millenium” Bücher. War Stieg Larsson ein Vorbild oder eher das alte Testament als studierter Theologe?
 Ich habe natürlich Millenium gelesen, aber meine Vorbilder sind eher Mankell und Camilla Läckberg. Ich bin süchtig nach nordischen Krimis, besonders nach schwedischen, da ich halb Schwede bin und schwedisch meine Muttersprache ist. Was ich an einem Krimi mag, ist natürlich die Handlung, aber es ist auch die Atmosphäre und das Setting, in dem die Geschichte angesiedelt ist.

Die kleine Stadt Ystad an der Ostsee mit ihrer hanseatischen Vergangenheit, den Fachwerkhäusern und der hügeligen Landschaft (Henning Mankell). Das kleine Fischerdorf Fjällbacka mit seinem Schärengarten aus vielen kleinen Inseln (Camilla Läckberg). Daher kam auch meine Inspiration : genau wie Ystad oder Fjällbacka, hatte Gryon die gleichen Eigenheiten.

Der Kriminalroman, oft mit der urbanen Welt assoziiert, wird aufs Land exportiert. Schüsse werden selten. Manchmal tragen sogar die Inspektoren keine Waffen. Das ungezügelte Vorgehen der amerikanischen Polizei weicht einer gewissen Langsamkeit. Ein falscher Rhythmus, der dem Leser Zeit gibt, sich die Szenerie vorzustellen, die Figuren kennen zu lernen. Aber es ist tatsächlich ein falscher Rhythmus, denn die Handlungen führen uns in eine intensive psychologische Spannung, die durch die Atmosphäre des Sets verstärkt wird.

Jenseits der Action und der Handlung steht der Alltag im Mittelpunkt der Erzählung. So folgen wir den Figuren in einer scheinbar tödlichen Langeweile, aber wir lernen sie und die existenziellen Fragen, die sie beschäftigen, kennen. Um in die Tiefe zu gehen. Um die Atmosphäre aufzusaugen.

Die Theologie ist auch einen wesentlichen Bestandteil meiner Romane. Meine Berufung als Pfarrer war mit einem Interesse am Menschen als Ganzem verbunden: die psychologische Ebene, seine spirituelle Dimension, seine existenziellen Fragen… Dieses Interesse begleitet mich, wenn ich schreibe. In meinen ersten Krimi, ist steht die Theologie auch im Mittelpunkt der Intrige : eine der Hauptfiguren ist eine Pfarrerin, die Kirche von Gryon ist ein Mordplatz, der Mörder, oder besser gesagt – der Mann, der kein Mörder war – findet seine Inspiration in der Bibel und hinterlässt biblischen Versen auf dem Tatort.

In meinen Krimis ist alles weit entfernt von einer manichäischen Vision in Schwarz oder Weiß, sondern spielt sich in Grautönen ab. Das ist es, was mich interessiert! Die Integration von Nuancen – oder sogar Widersprüchen – in das Herz eines jeden Charakters hilft, nicht ins Moralisieren zu verfallen. So wird der Leser im Laufe der Geschichte entdecken, dass jeder Charakter sowohl helle als auch dunkle Seiten hat. Und dass man, auch wenn man die schrecklichen Taten des „Mannes, der kein Mörder war“, nur verurteilen kann, nicht umhin kommt, sich in diese Figur einzufühlen.

Das Buch ist ja schon vor einiger Zeit in Frankreich, Westschweiz erschienen und war extrem erfolgreich. Nun fallen bei der deutschen Veröffentlichung wegen Corona die Lesungen weg, wo der Marc Voltenauer Deutschschweizer in den Bann ziehen kann. Planen Sie Internetaktivitäten oder wie wollen Sie den Röstigraben überwinden?

Ich bin sehr gespannt, wie die deutschsprachigen Leser mein Buch aufnehmen werden und freue mich auf die Begegnung mit den Lesern. Ich hoffe, dass sich die Situation bessert und dass vielleicht im Frühjahr einige Veranstaltungen möglich sind. In der Zwischenzeit werden wir virtuelle Treffen organisierten. Wie auch immer, sobald es möglich ist, werde ich Lesungen machen.
Sie arbeiteten in der Pharmaindustrie, leben heute mit Ihrem Partner in Gryon. Moral, Bibelzitate ist ein Merkmal des Krimis. Bleiben die Alpen und ihre Menschen als ehemaliger Genfer für Sie weiterhin die Figuren,  über die Sie schreiben oder ist das urbane Wirtschaftsumfeld mit seinen Abgründen auch ein Platz für Ihre Fantasie?

Im Moment ist Gryon noch das Herzstück meiner Geschichten, aber nicht das einzige. Teile meiner Bücher spielen auch in Städten. Mein dritter Roman, immer mit demselben Kriminalkommissar, spielt übrigens auf einer Insel in Schweden. Und mit dem 4., der gerade auf Französisch erschienen ist, bin ich wieder in der Region und da ist die Salzgrube der Herzstück der Geschichte.

 Und wie immer zum Schluss die persönliche Frage. Was macht der Marc Voltenauer in seiner Freizeit? Ich gehe sehr gerne in den Bergen Wandern. Und Reisen tuen wir auch sehr gerne. Vor 3 Jahren, haben wir ein Wohnmobil gekauft und wir versuchen so oft wie möglich unterwegs zu sein.  

Der Krimi Das Licht in dir ist Dunkelheit erschien im Emonsverlag. Weitere Informationen hier