Zürich – Kunsthaus zeigt die verlogenen Landschaften des Gerhard Richters


Er sagt selber, seine Landschaften seien verlogen und eine Gradwanderung zwischen Realismus und Abstraktem. Die erste Gerhard Richter Einzelausstellung bis zum 25. Juli zeigt neben 80 Gemälden auch Zeichnungen. Fotocollagen, Druckgrafiken seiner Landschaftsmalerei,  die immer einen gewissen Sog hat, auch gerade weil sie nicht die Wirklichkeit zeigt. 

Die Kuratoren Hubertus Butin und Cathérine Hug haben die Ausstellung des wohl grössten lebenden deutschen Malers Gerhard Richter in 5 Kapitel unterteilt und beginnen mit „Landschaft aus zweiter Hand“. Die Natur einer Region war durch den aufkommenden Tourismus immer wichtiger geworden als Sehnsuchtsort einer noch heilen Welt, den die Zivilisation forderte von Mensch und Natur immer mehr Tribute. Von Anfang an sieht Richter die Landschaft als ein Abmalen seiner eigenen Fotos. Das ergibt eine Aesthetik von Ausschnitt, Bildaufbau und Farbigkeit, die nahe an die Romantik kommt. Der weite Himmel, Wolkenbilder und Regenbögen, Sachen, die das Volk mag und keinem wehtun. 

Doch in „Landschaften in der Abstraktion“ sieht man, das Gerhard Richter in den 60ier, 70ier seine Gebirgs-, Park- und Stadtbilder malerisch noch weiter auslotet. Oft gehen nun die Formen der Landschaft einen eigenen Weg, die Wirklichkeit spielt keine Rolle mehr. Landschaftsmotive werden übermalen, aufgespachtelt, abgeschabt. 
Interessant ist an dieser Ausstellung, dass der Zuschauer die Möglichkeit hat, Fotografie und Bearbeitung nebeneinander zu bestaunen. Und trotz aller Abstraktion ist es eine Ausstellung des Schönen. Gerad Richter blendet alle Verwüstungen der Zivilisation in der Natur aus und bei der Betrachtung stellt sich die Sehnsucht nach einer heilen Welt ein und die Natur ist immer positiv besetzt, weil das Nebulöse, Verschwommene eine glatte Oberfläche erzeugt, doch die tut in diesen tristen Zeiten sehr gut.


Weitere Informationen zur Ausstellung hier 

Bilder
1Gerhard Richter, Vierwaldstätter See, 1969 Öl auf Leinwand, 120 × 150 cm Daros Collection, Schweiz; Foto: Robert Bayer

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Gerhard Richter, Abstraktes Bild, 1987 Öl auf Leinwand, 62 × 72 cm Niedersächsische Sparkassenstiftung im Sprengel Museum Hannover; Foto: bpk/Sprengel Museum Hannover / Aline Herling/Michael Herling/ Benedikt Werner

3Gerhard Richter, 8. Juni 2016 (7), 2016 Öl auf Fotografie, 16,7 × 12,7 cm Privatsammlung

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Gerhard Richter, Piz Surlej, Piz Corvatsch, 1992 Öl auf Fotografie, 8,9 × 12,6 cm Sammlung Peter und Elisabeth Bloch; Foto: Christoph Schelbert, Olten

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Olten – David Lynch zur Eröffnung des Fotomuseums

Gleich mit seiner Eröffnung präsentiert das IPFO Haus der Fotografie in Olten zum ersten Mal in der Schweiz den Meister des Surrealen David Lynch mit 120 Fotos bis zum 27. Juni.

Ein Verein von 6 Leuten zu denen auch der Emmy Award Gewinner Marco Grob aus Olten gehört, hat in diesen schwierigen Zeiten mit eigenem Geld das ehemalige Naturhistorische Museum renoviert, umgestaltet und präsentiert nun 120 Fotos von einem Mann, dessen eigene Sichtweise vielen Angst macht. 

Normalerweise weicht die Sicht auf die Dinge der Welt von der sehr eigenen kindlichen zur allgemeinen, nachdem man die Schulen durchgemacht hat, nicht so bei David Lynch. Bis zu  seinem jetzigen 76. Lebensjahr hat er ein Auge und Talent Surreales einzufangen und besonders seine Filme sind  Meisterwerke davon. Ein Krüppel, für viele weder Mensch noch Tier wird in einen Käfig gesperrt und von den Schaulustigen auf dem Jahrmarkt gequält bis ihm die Flucht gelingt in „Eraserhead“. Oder der Strassenfeger der 80ier „Twin Peaks“ wo einem bereits Lynchs Titelsong in einen Sog zog auf der Suche nach dem Täter von Laura Palmer.

So verwundert es nicht, wenn bereits im Erdgeschoss das Düstere, Mysteriöse in den Fotos einem verunsichert, auch deshalb, weil Lynch lange bevor es alle gemacht hat, mit Fotoshop gearbeitet hat.Nacktes und ungewöhnliche Kompositionen mit dem weiblichen Körper zeigt der erste Stock und jeder fragt sich, war es die Isabelle Rosellini, die Schauspielerin aus „Blue Velvet“, die ihm Muse stand?

Das auch Schneemänner und alte Industriequartiere in den USA, Polen, Deutschland auf ihrem Weg zum Verfall für Lynch ein Schönheit sind und Geschichte erzählen, zeigt der zweite Stock. 
Schade, das David Lynch zur Eröffnung des Hauses der Fotografie nicht anreisen kann, doch „Infinite Deep“ kuratiert von Nathalie Herschdorfer ist auch so eine Reise nach Olten wert. 


Weitere Informationen zum Fotomusem hier 

Die Fotos wurden zur Verfügung gestellt.

Murten – Lichterrundgang gegen dunkle Zeiten

Mit zwei monatiger Verspätung und gegen alle Widerstände leuchtet Murten bis zum 28. März an den zwei Ausstellungsstandorten Museum und Feuerwehrlokal und etlichen Ausseninstallationen in einer abgespeckten Version des jährlichen Lichterfestivals.

Projektleiter Simon Neuhaus ist wie alle Murtner, wer ihre Geschichte kennt, weiss wieso, ein Kämpfer und kann seit heute durchschnaufen. Rechtzeitig zur Museumswiedereröffnung kann auch die coronagerechte Version des Lichterfestivals stattfinden, was heisst, man muss die Eintrittskarten über das Internet kaufen und die Mindfulapp runterladen und sich anmelden. Mit Maske beginnt dann der Lichtrundgang beim Museum. Zwischen Ritterrüstung und alten Gemälden hat es fünf Lichtinstallationen. Diese sind recht klein gehalten und unterscheiden sich nicht von Sachen, die man sonst in regulären Ausstellungen sieht. Regionale Künstler und Berner gelingt es teilweise das Spiel mit dem Licht und menschliche und gesellschaftliche Fragen dazustellen. 

Hier gilt wie auch für den Rest der Innen- und Aussenausstellung, das Auge isst mit und nur schon das Licht als solches nach Wochen des Lockdowns in den eigenen Wänden tut gut.  Doch nach 10 Minuten heisst es auschecken und zum Seebecken runterlaufen, wo Welsche Neoseerosen auf der Wiese beleuchten und nach den steilen Gang ins Stedli zur französischen Kirche hat ein Murtner Künstlerehepaar die Bäume im französischen Kirchenpark farbig verkleidet und es leuchtet wieder.

Doch die Zeit eilt, denn mit dem Kauf einer Internetkarte ist noch ein zweiter Ort mit einer Multimediashow von einem Murtner Filmgrafiker im Alten Feuerwehrlokal nahe der Migros inbegriffen.

Am Boden sind Hölzer, einige Tannen, Baumstrunke und in der Mitte ein Teich. Eine Traumwelt fast wie im Avatarfilm beginnt dann unter dem Titel „Traum am Wasser“ an den Wänden und im Teich während rund zehn Minuten mit Musik sich zum Leben erwecken. Fantasiewesen und Natur ergänzen sich, alles ist farbig und rauscht schnell an einem vorbei wie in einem Film. 

Wieder auf der Strasse geht es vor dem Murtentor auf einem Weg den selbst Einheimische nur selten gehen hinter der reformierten Kirche der Ringmauer entlang. Auch dem Weg durch die Nacht kommt hier der diesjährige Lichtrundgang dem ursprünglichen Lichterfestival nahe und grosse Projektionen an der Mauer wie in den Schrebergärten wechseln sich ab und lassen einem nochmals eintauchen in Lichtmomente.

Für die Kleinstadt Murten, wo es wenige kulturelle Höhepunkte gibt, ist es wichtig, dass die abgespeckte Version des Lichterfestivals als Lichtrundgang stattfindet und so ein wenig Abwechslung in den Lockdown bringt. Allerdings muss ganz klar gesagt werden, für Zuschauer von weit, ist der Lichtrundgang nur mit einem Ausflug an den Murtensee empfehlenswert, da er im Vergleich zu anderen Jahren klein ist. Aber eben klein und fein zwischen 17.30 bis 22 Uhr bis zum 28. März.


Weitere Informationen zum Murten Lichtrundgang hier 

Bern – Fleisch von der Lust und dem Ekel eines Nahrungsmittels

„Man ist, was man isst“.  Die Nahrung ist für manche Religion und ein Lebensmittel hat über die vergangenen 150 Jahre einen Wandel durchgemacht, das Fleisch. Neben dem Genussmittel hat das Fleisch auch eine künstlerische und literarische Tradition. Die Schweizerische Nationalbibliothek hinterfragt in der Ausstellung „Fleisch – eine Ausstellung zum Innenleben“ bis zum 30 . Juni die Rolle des Stoffes zwischen Lebewesen, Ware und Genussmittel.

Ausstellungskurator Dr. Hannes Mangold setzt seine kleine Ausstellung als multimediale Schau aus fünf Bereichen mit Videos, Plakaten, Büchern, Gemäden etc zusammen und beginnt gleich mit dem aktuellen „Verzichten“ am Eingang. Mitte des letzten Jahres steckten sich in einer deutschen Grossschlachterei die ganze Belegschaft mit Corona an weil die Hygienestandart sowohl bei der Verarbeitung des Billigfleisches wie bei der Menschen nicht eingehalten wurden. Das ist nur der jüngste Skandal in einer Reihe von vielen, die natürlich ein gefundenes Fressen für die Vegetarier und Veganer sind, den Fleischkonsum zu verdammen. Doch bereits Anfang letzten Jahrhunderts zeigt Mangold gab es mit dem Verbreiten der Herstellung des Müslis und später mit der Eröffnung der Hiltl-Restaurants Bestrebungen nach Alternativen zum Fleisch. Dieser Trend hat sich über die negativen Auswirkungen der Tierhaltung auf den Klimawandel noch verstärkt.

Hatte früher ein Bauer von der Aufzucht bis zum Töten eines Tieres oder der Jäger nach der Jagd die Kontrolle über die Verarbeitung des Fleisches, so macht das heute fast nicht mehr der Metzger, da dieser Beruf ausstirbt wie ein Videos zeigt sondern die Grossschlachterei. Wie weit von der Realität die Werbung bis Anfang des Jahrhunderts über die Verarbeitung von Fleisch war, zeigen die zahlreichen Plakate. Heute sind diese fast ganze verschwunden. 

Fuhr Friedrich Dürrenmatt von Neuenburg zum Essen in der Berner Altstadt gabs Blutwurst und Sauerkraut. Seine Erzählung „Wurst“ oder Carl Spittelers Gedicht „Salami“ finden sich genauso in der Ausstellung wie der Fleischroman schlechthin vom gelernten Metzger Beat Stechi „Blösch“. Von Dürrenmatt gibt es noch ein Gemälde zum Thema. 

Fleisch – das Alltagsprodukt für Arm und Reich. Geliebt und gehasst und trotz Ersatz wie Würste aus Kichererbsen wird Fleisch nie ganz vom Teller verschwinden, aber die Ausstellung in der Schweizerischen Nationalbibliothek hinterfragt die Essenskunst über die letzten Jahrzehnte und die Bedeutung von Fleisch für seine Konsumenten.

Weitere Informationen zur Ausstellung hier