Obwohl Milow während der Pandemie aus Langeweile 823 Songs schrieb, ist sein diesjähriges Album der grösste Flop sowohl in Belgien wie hier in seiner Karriere. Doch ein Konzert lebt von den Hits und dem Ruf und da war er wieder der Alte in Biel, wäre da nicht die Entdeckung des Abends gewesen Jack Savoretti, der ihn übertrumpfte.
In der Tagespresse macht die Absage ihrer Tourneen zahlreicher Sänger/innen wegen schlechter Konzertkartenverkäufe die Runde. Davon ist der 1981 in Antwerpen geborene Milow auf seiner diesjährigen Tournee verschont geblieben, aber nicht vor der Tatsache, dass das aktuelle Album „Nice to meet you“ mit seinen persönlichen Texten aber Mainstreammusik floppte. Und so erstaunte es den nicht, dass zu Beginn des Konzertes an der Christmas Session mit neuen Liedern im ausverkauften Saal die Begeisterung des Publikums ausblieb. Erst mit „Lay your worry down“ erstrahlte das glatzköpfige Gesicht Milows, als einige mitsangen. Der Belgier gab der Band viel Raum und sowohl sein Gitarrist wie die Backgroundsängerin hatten Soloauftritte. Stimmlich übertrafen die Beiden den zweifach Vater, der halt immer gleich singt. Mit der atmosphärischen Version seines grössten Hits von 2008 „Ayo Technology“ gelang es Milow die Bieler zum Tanzen zu animieren und als er sein Weihnachtslied und eine zweite Zugabe unplugged im Publikum sang, gabs zum Schluss standing ovation.
Gibt es sowas wie die perfekten Gene der Eltern, um ein erfolgreicher Musiker zu werden?
Wenn ja, dann hatte Jack Savoretti mit einem italienischen-deutschen Vater und einer polnischen Mutter Glück. Auch weil er als Sohn in der ganzen Welt wohnte und in Lugano die amerikanische Schule besuchte und so seine Jugend in der Schweiz verbracht hat.
Mit dem Aussehen eines Italieners und viel Temperament hat er seit 2006 Erfolg und kam mit fast jeden Album an die Spitze der englischen Hitparade.
Hier ist er noch ein Geheimtipp obwohl er regelmässig im Tessin auftritt, doch das dürfte sich nach dem Auftritt in Biel ändern.
Während fünf Musiker die Bühne betraten, spielte im Hintergrund eine Spielorgel, das Licht war düster, doch schon der erste Ton des schlecht gekleideten Jack Savoretti liess die Zuschauer erstarren. Sein Organ übertraf das von Milow um Weiten und das Set war zwar zu laut für das Kongresshaus aber druckvoll und der Halbtessiner steigerte sich mit jedem Song aus seiner 2006 begonnenen Karriere. Der Auftritt war derart makellos im ersten Drittel und gross wie in einem Stadion. Der Engländer erinnerte an Leo Sayer mit seinem Krausehaar und schnell wurde klar, dieser Mann kennt alle Tricks, um einen Song mit Pfeifen, Schmalz, Geige, Refrains eingängig zu machen. Ja, die Violine als Teil seines Pops ist sehr ungewöhnlich und sie begleitete ihn auch im mittleren Teil als Jack Savoretti solo an der Gitarre politische Töne anschlug und gleichzeitig mit seinem Talent für guten Pop für Gänsehautmomente sorgte, die das Publikum von Anfang bis zum Schluss seines Auftrittes mit viel Applaus belohnte.