Eigentlich wäre ja das deutschsprachige Jaun im Greyerzbezirk ein Skigebiet, doch mit der Erhaltung des Skiliftes gibt es Probleme nicht nur wegen des fehlenden Schnees sondern auch wegen dem mangelnden Geld. Also will die Lehrerin des Dorfes Geld beschaffen und dabei spielen Diamanten eine Rolle. In “ Die Brigantinnen“ von Schriftsteller Willi Wottreng gerät das Dorfleben unter den Gastlosen ganz schön aus den Fugen.
Willi Wottreng, wie kommt ein Schriftsteller geboren in Kreuzlingen, der heute im berüchtigten Kreis 4 in Zürich wohnt, nach Jaun, um eine Kriminalkomödie zu schreiben?
Kreuzlingen ist am Rand(Am Nordrand des Landes), der Kreis Vier ist am Rand (gemäss gesellschaftlichen Urteilen über Normalität, die ihn als berüchtigt bezeichnen), Jaun ist am Rand (des Greyerzerbezirkes, des Kantons Fribourg und der ganzen Deutschschweiz.) Ich wollte immer den Menschen das Wort geben, die ihr angebliches Randdasein als Mittelpunkt der Welt zu deuten verstehen
Im Buch „Die Brigantinnen“ spielen die Frauen die Hauptrolle, die einen Skilift mit einem Diamanten retten wollen, und die Nebenrollen sind die Männer. Sind Frauen lustiger, weil sie allgemein in Komödien und im Leben mehr Gefühle zeigen?
Ich habe immer geschwankt, ob ich die Weltsicht von Frauen als gleichgewickelt wie die von Männern verstehen soll, oder als das ganz Andere. Es stimmt wohl beides nicht. Aber im Alter neige ich dazu, den Frauen – jedenfalls den mit meiner Generationenkohorte sozialisierten – eine höhere Spontaneität und eine kreativere Assoziationsfähigkeit zuzusprechen. Dem wollte ich Reverenz erweisen.
Jaun ist interessant wegen neben Im Fang als einziger deutschsprachiger Ort im Greyerz. Die Gastlosen und der Wasserfall haben je nach Wetterlage aber auch was bedrohliches. Was spielte bei allen Gegebenheiten, die diese Gegend hat, eine Rolle für einen Krimikomödie?
Die Lage als Kessel inmitten der Berge. Der zugleich geöffnet ist durch die Passtrasse ins Freiburger Unterland und über den Jaunpass ins Bernbiet. Das eignet sich für ein Drama, in dem ein Skilift und die Mächtigen der Welt vorkommen. Und damit verbunden ist eine gewisse Widerständigkeit – erzeugt durch die Abgeschiedenheit –, verbunden mit einem recht hohen Selbstbewusstsein – Jauner gibt es in der ganzen Welt. Das ist der Boden für eine recht freche Lehrerin.
Sie waren als Journalist und heute Schriftsteller aktiv und besonders das Schicksal der Jenischen lag Ihnen am Herzen als Geschäftsführer der jenischen Radgenossenschaft der Landstrasse. Tat und tut die Schweiz zu wenig für die jenische Menschen?
Als Geschäftsführer der jenischen Radgenossenschaft der Landstrasse frage ich gerne zurück: Wie kann man genug tun für jenische Menschen, wenn man keine Ahnung hat, wer sie sind. Ich behaupte, nicht einmal eingesessene Jauner wissen, dass in kleinen Häusern entlang dem Bach meiner Vermutung nach einst jenische Menschen in Jaun existiert haben. Jaun ist eben die ganze Welt im kleinen, mit Mehrheitsgesellschaft und Randständigen, mit offizieller Existenz und Hintenherum.
Nach der Coronaerkrankung schreiben Sie nicht nur über Jaun sondern malen und gestalten Sie auch Masken. Ist das Freizeit oder was gibt Ihnen das Malen, was Ihnen das Schreiben nicht gibt?
Ich male derzeit vor allem mit dem Computer – keine künstliche Intelligenz, sondern Gemälde mit dem Stift auf dem iPad. Es ist eine Übung in Reduktion. Fesselnde Gemälde kann man nur schaffen, wenn man eine Ahnung hat, was das Wesentliche sein könnte. Vielleicht unterstützt das Malen die Bildhaftigkeit im Schreiben. Man staunt selber darüber, was einem da auf dem Bildschirm entgegenblickt, und ist vielleicht nachher klüger als vorher.
Die Brigantinnen erschien im Bilgerverlag.
Weitere Informationen hier
Die Fotos wurden zur Verfügung gestellt